21) Sonntag, 20.10.2002 Tatopani (1190m)

 

  Dank des starken Kaffees hat es Reinhard heute Nacht endlich über den Pass (in seinem Buch) geschafft. Sobald es hell wird, geht das ohrenbetäubende Grillengezirpe wieder los. Es übertönt sogar die frustrierten Hähne. Ich sitze um 6.50 Uhr im Bett und schaue in den tropischen Garten. Vor meinen Augen hängen die dicksten Zitronen und prachtvolle Weihnachtssterne sind in voller Blüte. Ich fühle mich trotz Aspirin noch immer nicht gut, habe jetzt sogar Schmerzen an den Mandeln. Werde vorsichtshalber doch lieber ein Antibiotikum  einwerfen.

  Vielleicht kann ich heute endlich „nach Hause telefonieren“. Aber Purna meinte gestern, die Chancen dafür stehen schlecht, die Maoisten hätten sämtliche Leitungen zerstört. Mal sehen, was der heutige Tag bringt. Ich weiß noch nicht so recht, ob ich in den hot-springs baden soll, bin aber richtig froh, heute einen Ruhetag zu haben.

  Nach unserem Frühstück im Garten haben die Sonnenstrahlen um 8.30 Uhr noch immer nicht ihren Weg in das enge Tal gefunden. Eine große Anzahl an Grillen sitzen an den Baumstämmen und lassen sich von uns in keiner Weise bei ihrem Morgenkonzert stören. Ich kuschle noch einmal in den warmen Schlafsack und nehme ein Antibiotikum. Endlich dringt um 9.30 Uhr die Sonne durch den Garten. Wir bekommen gegenüber ein anderes Häuschen mit eigenem WC und eigener Dusche. Der Umzug ist schnell erledigt.

 

  Reinhard geht mit Purna auf Entdeckungstour, ich setze mich unterdessen bei den hot-springs auf einen großen Stein am Ufer in die Sonne. Ich muss mich heute unbedingt schonen, morgen wird ein harter Tag. Ich kaufe im Ort einen Diafilm (450 NPR) und Toilettenpapier ein. Mit dem Telefonieren klappt es, wie befürchtet, nicht. Unterwegs schaue ich einigen Nepalesen beim [Carrom] spielen zu; Purna spielt es auch oft. Das große Holzbrett ist mit Mehl gepudert und die Spieler versuchen bunte Plastikchips mit den Fingern in Löcher zu schnippen. Ich glaube es ähnelt Billard.
 

  Zeit für ein kurzes Zwischenfazit: Alles hat bis jetzt prima geklappt. Die Einheimischen sind nett und freundlich zu uns, alles ist vollkommen unkritisch. Die Unterkünfte sind ordentlich, meistens mit hot-shower, brauchbare WC, häufig sauberer als auf vielen DAV-Hütten. Das Wetter könnte nicht besser sein. Das Essen ist prima, reichhaltig und abwechslungsreich und die Landschaft grandios. Meine Kondition ist gut, habe mich optimal auf die Tour vorbereitet und bisher noch keinen Muskelkater verspürt. Wir lernen viele neue Leute kennen, dazu eine neue vollkommen fremdartige Kultur, kurzum alles bestens, trotzdem möchte ich hier nicht für immer leben. Das Leben ist hier spottbillig, deshalb sind auch viele Rentner unterwegs. Mit 10$ am Tag kommt man gut aus, damit kann man sich sogar noch ein Bierchen leisten. Wer billig reisen und dabei viel erleben will, für den ist Nepal ideal, Schwabenland.

 

  Habe gerade einen Kassensturz gemacht. Von meinen fast 20.000 NPR habe ich jetzt nur noch 7.500 NPR plus einige „Notdollars“, muss deshalb etwas sparsamer leben. Um 11.45 Uhr sitze ich im Garten unter Zitrusbäumen im Schatten. Es ist hier fast wie bei uns daheim im Hochsommer in einer Gartenwirtschaft, nur das hohe, laute Gezirpe der Baumgrillen fehlt dort. Ich glaube, es geht mir etwas besser, ich denke, morgen kann ich eine Etappe machen. Reinhard und Purna sind von ihrem Ausflug zurück.
  15.45 Uhr, wir unterhalten uns einige Zeit nett mit Iren und Australiern, trinken Kaffee und essen dazu Zimtschnecken. Ich hänge meine große Wäsche ab,  bis Pokhara werde ich jetzt hoffentlich nicht mehr waschen müssen.

 

  Habe mehrere Orangen und Sweet Lemmon aufgelesen, einige wiegen sicher über 1kg. Ich setze mich vor unser Häuschen in die Sonne und freue mich auf ein Festessen. Aber leider sind in jeder Frucht viele dicke, weiße Würmer, ekelig. Das ist also der Grund, warum sie keiner haben will!  Die ersten neuen Trekker kommen bereits an. Viele Familien mit kleinen Kindern übernachten hier. Mit Kleinkindern trekken, ich weiß nicht so recht. Die deutsche Familie mit Hanna und Malte ist auch hier. Nach dem Essen besuchen uns Sven und Daniela. Sie wollen morgen bis Ghorepani marschieren, wir nur bis Sikha. Wir geben ihnen unsere Adresse in Pokhara, vielleicht treffen wir uns dort wieder in einigen Tagen.

  Sven erzählt uns, dass er heute auf der Hauptstraße von einer 2 m langen Schlange überrascht wurde. Normalerweise liegen nur Hunde auf der Straße. Wir spielen noch einige Runden Skat. Um 20.30 Uhr schalten sie den Stromgenerator ab. Bei Kerzenlicht lässt es sich nicht mehr so gut Karten spielen. Um 21.00 Uhr gehen wir in unsere Hütte.

 

nächster Tag

 

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