Nördliche Stubaier Alpen vom 8. September - 12. September 1992
Besuch unserer
Sektionshütte und unser erster Dreitausender!!
1) Dienstag, der 8. September 1992 (Niefern - Garmisch-Partenkirchen - St.
Sigmund - Neue Pforzheimer Hütte)
Bei unfreundlichem Herbstwetter
fuhren wir um 7.15 Uhr in Niefern ab. In Garmisch-Partenkirchen
machten wir einen kurzen Einkaufsstopp und fuhren dann bei bestem
Wetter in Scharnitz über die Grenze, am Karwendel vorbei und
hinunter (16% Gefälle) ins Inntal. Der Weg ins Sellraintal ist
gut ausgeschildert und leicht zu finden. In Kematen zweigt das
ruhige Sellraintal vom Inntal ab. Unser Ausgangspunkt St. Sigmund
(1516m) musste nach einem verheerenden Lawinenunglück im Jahre
1951 praktisch neu aufgebaut werden. Um 13.00 Uhr, nach 406km
Fahrt, parkten wir das Auto auf dem großen Parkplatz gleich am
Ortseingang von St. Sigmund und um 13.30 Uhr waren wir bereits
auf dem Weg zur Neuen Pforzheimer Hütte.
Der gut ausgebaute Weg führte uns durch lichten Nadelwald,
entlang des wilden Gleirschbaches, hinauf zur gleichnamigen Alm
(1666m, 0.5 Std.). Die Alm lag wunderschön in einem weiten
Talkessel der von vielen Kühen, Haflingern, Schafen und Ziegen
beweidet wurde, eine richtige Bilderbuchlandschaft. Bald
überschritten wir die Baumgrenze und entdeckten an den
Berghängen viele Alpenrosenbüschen. Das Gestein bestand
hauptsächlich aus einem glänzenden Material das die Bergschuhe
mit einer dünnen silbrigen Schicht überzog. Es handelte sich
eindeutig um das Glimmermineral Muskowit.
Unser stetiger Unterhalter war der Gleirschbach, der einmal
ruhig, dann wieder tosend und brausend uns begleitete. Schon von
weitem sahen wir die Neue Pforzheimer Hütte. Sie lag oberhalb
des Tales auf einer Terrasse. Wir überquerten den Bach auf einer
kleiner Holzbrücke und machten uns dann an die letzten hundert
Höhenmeter zur Hütte, die auf einem schmalen Weg überwunden
werden mussten. Um 16.00 Uhr hatten wir unser Tagesziel erreicht.
Die Neue Pforzheimer Hütte (Adolf-Witzenmann Haus, 2308m) ist
ein schöner Natursteinbau mit Holzverkleidung, der sich gut in
das Landschaftsbild einpasst. Einige Jäger saßen mit ihren
Hunden im Freien und präsentierten stolz ihre Jagdbeute, drei
Murmeltiere. Wir bekamen problemlos ein ordentliches
Vierbettzimmer. Nach einer misslungenen Kaffeepause machten wir
einen Verdauungsspaziergang um die Hütte. Das Wetter wurde jetzt
immer schlechter, starker Regen, tiefhängende Wolken und ein
kalter Wind. Das Abendessen war ein ähnlicher Reinfall wie
mittags der Quarkstrudel. Der Hüttenwirt saß nicht mehr ganz
nüchtern in der Küche und seine Frau, die Helene, qualmte als
einzige die Stube voll. Ich war schon etwas enttäuscht nach der
verheißungsvollen Reklame in der Pforzheimer Zeitung. Ich hatte
mir unsere Sektionshütte etwas anders vorgestellt! Um 21.30 Uhr
gingen wir in unser Zimmer, wir hatten es für uns alleine. Wir
hörten den Regen auf das Blechdach prasseln.
Anmerkung: Die Hüttenpächter wurden kurz darauf
ausgetauscht und die Pforzheimer Hütte wurde total umgebaut und
renoviert. Das neue Pächterehepaar ist sehr nett und das Essen
ist prima.
2) Mittwoch, der 9. September 1992 (Neue Pforzheimer Hütte - Gleirschjoch
- Guben-Schweinfurter Hütte)
Nach dem Frühstück schulterten
wir um 8.00 Uhr unsere Rucksäcke und machten uns bei weiterhin
schlechtem Wetter auf den Weg zur Guben-Schweinfurter Hütte, mit
der Option auf den Zwieselbacher Roßkogel (3081m). Der Weg
verlief wenig anstrengend in südwestlicher Richtung auf das
Gleirschjoch (2750m) zu. Wegen dichtem Nebel verzichteten wir auf
unsere erste 3000er-Tour und stiegen direkt über kleinere
Altschneefelder dem Joch entgegen.
Entlang interessanter Gesteinsformation führte der Weg nach dem
Joch abwärts ins vordere Zwieselbachtal. Die Geröllhänge sahen
wie Bergwiesen aus, sie waren dicht mit grünen Flechten
überzogen. Der Nebel machte die Gegend sehr gespenstisch und
verursachte eine unheimliche Atmosphäre. Das Wetter wurde
langsam besser. Die Sonne durchdrang das Wolkendickicht und wir
konnten endlich die umliegenden Berge erkennen. Bereits um 11.00
Uhr erreichten wir bei strahlendem Sonnenschein unser heutiges
Tagesziel, die Guben-Schweinfurter Hütte (2034m).
Um 11.30 Uhr verließen wir mit leichtem Gepäck wieder die
Hütte und machten einen kleinen Abstecher zur Finstertal-Alm.
Dort verbrachten wir den restlichen Mittag und beobachteten das
tolle Spiel von Sonnen, Wolken und Nebel. Abends aßen wir ein
schmackhaftes Rindergaulasch mit Nudeln. Die Guben-Schweinfurter
Hütte ist wirklich empfehlenswert. Sie ist sehr gemütlich,
sauber und die jungen Pächter sind angenehm und freundlich. Wir
besprachen unsere morgige Tour. Da der Weg zur Bielefelder Hütte
wegen reichlich Schnee ausschied, blieb uns nur der Guben-Weg
über das Zwieselbachjoch zur Winnebachseehütte. Bereits um
21.00 Uhr gingen wir auf unser Zimmer.
3) Donnerstag, der 10. September 1992
(Guben-Schweinfurter Hütte
- Zwieselbachjoch - Winnebachseehütte)
Um 8.00 Uhr waren wir
abmarschbereit, das Wetter machte einen verheißungsvollen
Eindruck. Der Guben-Weg war wahrlich eine prächtige Tour. Durch
das enge Zwieseltal verlief der Wanderweg auf unschwierigem
Gelände durch eine liebliche aber zugleich raue Landschaft und
vermittelte dem Wanderer ein eindrucksvolles Bergerlebnis.
Treppenartig näherte sich der Weg dem schneebedeckten
Zwieselbachjoch und jede Stufe brachte neue Überraschungen. Vier
markante Terrassen sind zu überwinden, ehe der letzte kernige
Anstieg von einem Schuttkar aus, über teilweise sulzigen Schnee,
uns um 11.30 Uhr auf das Zwieselbachjoch (2870m) brachte. Der Weg
war vorzüglich präpariert und in den unangenehmen
Geröllpassagen erleichterten große Steinplatten das Vorankommen
ungemein.
Was für ein herrlicher Tourentag: strahlend blauer Himmel, Sonne
pur, großartige Berge und ein kühler abweisender Gletscher, wer
hätte dies gestern noch für möglich gehalten! Aber
leider sollte sich das Wetter bald wieder ändern.
Regenschwangere Wolken hingen über dem Ötztal, der Wind blies
kühler und es nieselte leicht. Vorbei am Letschhorn wanderten
wir hinunter ins Winnebachkar. Nach ca. 2 Std. ab dem Joch, sahen
wir bereits die Winnebachseehütte (2362m), die sehr malerisch
unterhalb der gewaltigen Winnebachspitze (3054m) am gleichnamigen
See lag. Wir mussten nur noch ein paar Meter am See entlang
laufen, dann hatte uns das Chaos voll im Griff. Welch ein Rummel
auf dieser kleinen Hütte! Es waren fast nur Tagesgäste
anwesend, die von Gries im Ötztal aus in 2-3 Stunden zur Hütte
aufgestiegen waren. Wir stellten unser Gepäck im Hüttenvorraum
ab und flüchteten erst einmal vor den Touristenmassen. Erst um
17.30 Uhr getrauten wir uns wieder auf die Winnebachseehütte
zurück. Sie war jetzt merklich leerer, es waren zum Glück
nur noch 22 Übernachtungsgäste anwesend.. Das Abendesser war
ausgezeichnet und die Portionen recht ordentlich. Die Hütte kann
mit gutem Gewissen empfohlen werden, aber nur, wenn man nach
16.00 Uhr eintrifft. Es ist eine kleine aber feine Unterkunft in
einer fantastischen Umgebung.
Beim Hüttentest des JDAV von 1998 belegte die
Winnebachseehütte Platz eins!!
4) Freitag, der 11. September 1992 (Winnebachseehütte - Westfalenhaus -
Schöntalspitze (3004m))
Bei herrlichem Wanderwetter
starteten wir um 7.45 Uhr, liefen am See entlang und nahmen den
Weg 141 zum Westfalenhaus. Der Weg war hervorragend präpariert,
hier hatte die Sektion mustergültiges geleistet und den
Wanderweg mit großen Steinplatten und Treppen zu einer bequemen
Promenade ausgebaut.
Bereits um 10.00 Uhr standen wir auf dem Winnebachjoch (2788m).
Wir machten eine kleine Pause, füllten unsere Trinkflaschen mit
Gletscherwasser auf und machten uns anschließend an den
beschwerlichen steilen Abstieg. Ein großer Steinbrocken löste
sich aus der Felswand und schlug gefährlich dicht neben unserem
Wanderweg ein. Terrassenartig verloren wir stetig an Höhe und
beachtlich große Steinmänner dienten als Wegmarkierungen.
Bereits um 11.15 Uhr erreichten wir das stattliche Westfalenhaus
(2273m), das sich in einer landschaftlich fantastischen Gegend
befand. Auf einem kleinen Vorsprung oberhalb des Längentals
gelegen, mit prachtvollem Blick auf den Längentaler
Weißenkogel, den Längental Ferner und auf den gewaltigen
Lüsener Fernerkogel, ist das Westfalenhaus von der Sektion
Münster auf einem wahren Logenplatz errichtet worden.
Direkt unter dem Dach bekamen wir ein ansprechendes Lager in
einer "Dreierkabine". Um 11.45 Uhr machten wir uns auf
den Weg zu unserem ersten 3000er. Kurz nach der Hütte weist ein
DAV-Schild den Weg zur Schöntalspitze (3004m). In unzähligen
Zickzackkehren mussten wir uns jeden Höhenmeter erkämpfen. Die
Felswände waren nicht sehr weit vom Pfad entfernt und das
Gestein sah recht brüchig aus, wehe wenn sich da etwas lösen
und herunterfallen würde. Nach zwei Stunden erreichen wir die
Scharte kurz unterhalb des Gipfels. Der restliche Anstieg war
etwas ausgesetzt und am Schluss mussten wir noch über eine
schmierige, abgespeckte Platte kriechen, ehe wir um 13. 45 Uhr
unseren ersten 3000er bestiegen hatten. Wir fotografierten
natürlich ausgiebig diesen historischen Moment.
Runter ging es wesentlich leichter. Wir machten unterwegs öfters
an schönen Plätzchen Rast und als die Sonne langsam unterging
machten wir uns auf den Heimweg und waren um 16.30 Uhr zurück
auf dem Westfalenhaus. Wir belohnten uns auf der Terrasse mit
einem sehr schmackhaften Apfelstrudel, Helene wäre sicher
neidisch geworden. Der Hüttenabend war auch recht kurzweilig und
gegen später überraschte uns ein wundervoller Sternenhimmel.
Der Vollmond stand direkt über dem Gipfel des Lüsener
Fernerkogels und machte das Gipfelkreuz sichtbar. Ein
unglaubliches Naturschauspiel.
5) Samstag, der 12. September 1992 (Westfalenhaus - St. Sigmund - Niefern)
Nach dem Frühstück verließen wir
um 7.15 Uhr das gastliche Westfalenhaus und stiegen auf dem
Winterweg nach Praxmar ab. An Alpenrosenbüschen vorbei wanderten
wir auf einem schmalen Pfad hinunter zum Längentaler Bach. Bald
erreichten wir die Lüsenalm (1634m). Wir kauften einen Käse ein
und liefen gleich weiter, denn wir wollten in Gries im Sellrain
sein, bevor die Geschäfte schlossen. Wir nahmen den Panoramaweg,
der seinem Namen reichlich Ehre machte. Wir kamen an vielen
schönen, blumengeschmückten Bauernhöfen vorbei, aber das
eindruckvollste war das imposante Massiv des Lüsener
Fernerkogels (3298m), das den schönsten Talschluss im gesamten
Stubaigebiet bildet.
Um 11.30 erreichten wir Gries, kauften schnell noch einige
Mitbringsel ein und bereits um 11.45 Uhr konnten wir mit dem Bus
nach St. Sigmund fahren. Um 12.30 verließen wir den Parkplatz
von St. Sigmund und kamen nach einigen Staus in München und
Stuttgart erst um 17.45 Uhr wieder in Niefern an.
Fazit: Für Hüttenwanderer sind die nördlichen Stubaier
ideal: Einsame Wege, "ruhige" und gemütliche Hütten,
eine fantastische Landschaft und lohnende Gipfel. Die Wege sind
gut ausgebaut und von Wanderern mit Trittsicherheit problemlos zu
begehen. Wir waren uns einig: Diese Wanderung war bisher die
schönste, die wir in unserem noch "jungen
Bergwanderleben" unternommen hatten.
[Sellraintal]
[Neue Pforzheimer Hütte] (Adolf-Witzenmann-Haus)
[Winnebachseehütte]
[Westfalenhaus]
[Schöntalspitze]