30) Dienstag, 29.10.2002 Pokhara (800m) – Kathmandu (1290m)

 

  Wir stehen wieder um 6.00 Uhr auf und kaufen bei fliegenden Straßenhändlern einige Croissants und frühstücken, da das Boomerang-Restaurant noch geschlossen ist, im Freien in einem Hotel gleich um die Ecke. Ich trinke nur einen Kaffee und esse dazu mein Croissant. Wir verabschieden uns von Onkel Hari und seiner ganzen Familie, machen noch einige Fotos im Garten und fahren mit dem Taxi die kurze Strecke bis zum Greenline-Bus. Hier treffen wir wieder auf die deutsche Familie. Pünktlich um 8.00 Uhr ist Abfahrt nach Kathmandu. Unser Bus ist fast voll besetzt, aber trotzdem bequem, kein Vergleich zum local bus bei der Hinfahrt.

 

  Schöne Fahrt entlang des Flusses, es ist nicht sehr warm, teilweise sogar bewölkt. Wir sehen unterwegs viele Kinder in ihren Uniformen. Sie kommen aus vielen verschiedenen Dörfern und marschieren auf der Straße zu ihrer Schule. Ich mache einige Bilder. Plötzlich hält unser Bus auf offener Strecke an, Hanna muss pinkeln. Kein Problem in  Nepal. Der Bus fährt nicht einmal an die Seite, und Mama und Hanna gehen kurz nach draußen zum Abheben.

  Ungefähr auf halber Strecke, zwischen Pokhara und Kathmandu, liegt Manakamana. Dieser Ort besitzt die einzige Seilbahn Nepals, von einer österreichischen Firma im Jahre 1998 erbaut. Die Seilbahn verkürzt den Weg der Pilger hinauf zum „wunscherfüllenden Tempel“ der Göttin Bhagavati. Jeder Nepalese nimmt sich vor, mindestens einmal in seinem Leben diesen Ort zu besuchen. Der Tempel ist besonders beliebt bei jungen Paaren, die sich Glück und männlichen Nachwuchs für ihre Ehe erwünschen.

  Nach 3 Stunden Fahrt machen wir kurz vor Mugling im River Side Spring Resort, einem noblen Hotel am Ufer des Trisuli, Mittagspause. Essen und Trinken sind im Busfahrpreis von 10$/Person (plus 1 Flasche Mineralwasser für unterwegs) eingeschlossen. Das Essen ist als Büffet angerichtet (Reis, Nudeln, Gemüse), schmeckt super und ist reichlich. Im Garten des Hotels gibt es sogar einen riesigen Swimmingpool. Dieser Bustransfer ist wirklich empfehlenswert. Das Hotel ist für die Greenline-Busse der Dreh- und Angelpunkt. Hier machen auch die Busse aus Chitwan (Safaripark) Halt. Man kann hier nach Chitwan umsteigen oder nach Kathmandu zusteigen.

 

  Um 12.00 Uhr fahren wir weiter und kommen bei Mugling an den Zusammenfluss von Marsyangdi und Trisuli, wo eine große alte Metallbrücke uns auf die andere Uferseite bringt. Die Fahrt verläuft weiter entlang des Flusses, teilweise ist die Straße durch Erdrutsche nur einseitig befahrbar oder es liegen größere Steinbrocken auf der Fahrbahn, die der Fahrer im Slalom umkurven muss. Auf dem Trisuli-River entdecken wir mehrfach Pulks von Raftingbooten. Der Fluss scheint nicht sehr wild zu sein und ich denke, das hätte uns sicher auch Spaß gemacht. Wir kommen an vielen kleinen und größeren Dörfern vorbei. Sobald der Bus langsamer fährt oder anhält, versuchen fliegende Händler, uns irgendetwas zu verkaufen: Wasser, Obst oder aufgespießte, getrocknete Schlangen.
  Einfache, aber oft abenteuerliche Hängebrückenkonstruktionen verbindet die Dorfbewohner mit der anderen Flussseite.

 

  Der zweite Teil unserer Busreise wird für mich richtig deprimierend. Von unserer Hinreise nach Besisahar im Local-Bus habe ich komischerweise fast überhaupt keine Erinnerung mehr. Wir sehen viel Menschen und bunte Lastwagen im Flussbett stehen. Ich habe zuerst überhaupt keine Idee, was sie dort machen. Ich vermute spontan, dass sie im Fluss Gold waschen. Doch bald lösen wir das Rätsel.

  Auf den Lastwagen transportieren die Einheimischen große Flusssteine zu den etwas höher gelegenen Dörfern. Dort werden sie in primitiven Steinmühlen zerkleinert. Die ganze Gegend um diese Mühlen ist staubig und alles hat einen grauen Farbton angenommen. Aber am schlimmsten empfinde ich den Anblick der vielen Menschen, die an der Strasse in der Mittagshitze vor ihren Hütten sitzen und mit kleinen Hämmern Schotter und Kies aus den Flusssteinen herstellen. Teilweise tragen die schwer arbeitenden Frauen noch ihre kleinen Kinder in Tüchern an ihrer Brust. Ich versuche öfters diese, für mich schockierenden Szenen zu fotografieren, aber mein demolierter Fotoapparat versagt meistens oder ich bin nicht schnell genug.

  In diesem Tal wird bestimmt der ganze nepalesische Schotter hergestellt. Überall um die Hütten liegen große Berge von klein gehauenen Steinen. Es ist erschreckend, diese Armut und diese stupide Arbeit zu sehen, ich komme mir vor wie im finstersten Mittelalter oder wie in einem Sträflingslager. Manche Familien hausen in unglaublich primitiven rötlichen Lehmhütten, direkt neben der Straße. Ich verstehe nicht, warum diese Leute keinen Zorn auf uns Touristen haben. Wir fahren im Nobelbus an ihnen vorbei, gaffen aus den Fenstern, fotografieren sie mit teuren Fotoapparaten und sie müssen das Geld fürs tägliche Überleben durch so eine Fronarbeit erschuften. Wenn sie den Bus anhielten und uns ausraubten, könnte ich das verstehen. Dass es in der heutigen Zeit noch Menschen gibt, die ein solch erbärmliches Leben führen müssen, ist unglaublich. Ich bin zum ersten Mal richtig geschockt, ich verkrafte diesen Anblick fast nicht. Diese Szenen machen mich noch betroffener als die Armut der Krüppel und Bettler in Kathmandu.

 

  Erneut kurze Pinkelpause für Hanna. Die Straße nach Kathmandu wird zusehends steiler und kurviger. Der vorwiegende Lastwagenverkehr kommt oft ins Stocken, Helfer springen von den LKW's ab und legen Balken unter die Hinterräder, damit die alten Vehikel nicht zurückrollen. Vielleicht funktionieren auch die Bremsen nicht richtig. Die Fahrt auf dieser Passstraße ist nicht ungefährlich, die Abgründe neben der Straße sind gewaltig. Die LKW-Schlange kriecht im Schneckentempo dem Pass entgegen. Ein Unfall bringt den Verkehr fast ganz zum Erliegen. Kurz vor dem Pass geht überhaupt nichts mehr, Stillstand. Wir warten einige Zeit, bis der Verkehr endlich wieder rollt, am Pass ist eine Militärkontrolle eingerichtet. Wir Touristen werden gleich durchgelassen. Nach der Kontrolle am Pass haben wir einen tollen Blick hinein ins Kathmandutal.

  Jetzt kommt erst der richtige Stau. Im „verlangsamten“ Schneckentempo fahren wir weiter nach Kathmandu hinein. Ich denke, zu Fuß wären wir wesentlich schneller gewesen. Wir brauchen über eine Stunde vom Stadtanfang bis zum Busparkplatz. Zu unserer linken Seite sehen wir den Monkeytempel im Licht der untergehenden Sonne golden glänzen. Die langsame Fahrt hat auch etwas Gutes, dadurch können wir in die Geschäfte und Häuser schauen. Es ist unglaublich, mit welchem Schrott hier überall gearbeitet und gehandelt wird. Drehbänke stehen im Freien und alte Batterien werden öffentlich neben der Straße wieder in stand gesetzt. Umweltschutz ist hier ein Fremdwort. Um 16.00 Uhr sind wir endlich in Kathmandu und der Bus hält ganz in der Nähe vom Royal Palace, am Anfang von Thamel. Wir verabschieden uns von der netten Familie, schultern unser Gepäck und laufen das kurze Stück bis zum Tibet-Guest-House. Ich finde den Weg problemlos. Unterwegs treffen wir auf einige, uns schon bekannten Bettler und Krüppel. Um 16.30 Uhr sind wir im Hotel und bekommen anstandslos ein Zimmer, diesmal im dritten Stock.

 

  Wir holen unsere Wertsachen aus dem Safe, lassen uns unsere Koffer bringen und gehen hoch aufs Zimmer. Auspacken, duschen, Dollars wechseln, emailen. Toll, wenn man wieder andere Klamotten anziehen kann. Um 18.30 Uhr suchen wir in Thamel den „Italiener“, wir haben unheimlichen Appetit auf italienische Küche. In der Pizzeria treffen wir die zwei Norweger aus Ghorepani, mit denen wir auf den Poon Hill gestiegen sind. Ich bin noch satt vom Mittagessen und esse deshalb nur Spaghetti. Reinhard bevorzugt Pizza, sie ist riesengroß, sieht spitze aus und schmeckt ihm super. Anschließend machen wir noch einen kleinen Verdauungsspaziergang. In dunklen Seitenstraßen wird uns Hasch und Marihuana angeboten. Mir ist nicht ganz wohl dabei, als Reinhard noch weiter durch die düsteren Gassen laufen will, ich bevorzuge lieber die belebteren Gegenden.

  Um 21.00 Uhr sind wir zurück im Hotel. Eine große Gruppe Hongkong Chinesen ist gerade angekommen. Um 22.00 Uhr gehen wir aufs Zimmer. Kathmandu hat mich heute in keiner Weise erschlagen. Ich habe mich gleich wieder heimisch gefühlt und hatte auch keine Probleme mit den Leuten und dem Verkehr. Es ist auch nicht mehr so warm wie vor vier Wochen. Man braucht inzwischen keine Klimaanlage mehr und ein Wollteppich zum Zudecken ist jetzt ganz angenehm.

 

die nächsten 2 Tage

 

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