Kagbeni

01. Mai 2011, Pokhara-Jomsom-Kagbeni

Um 05.00 Uhr klingelt der Wecker und um 5.30 Uhr sind wir mit dem Taxi bereits am Flugplatz. Das Einchecken geht schnell. Ich habe 2 Rucksäcke mit insgesamt 18kg Gewicht, den großen für Purna ca. 11kg und den kleinen trage ich.

 

Hoffentlich fliegen wir. Das Wetter ist nicht so optimal, es hat tief hängende Wolken und die Sicht ist dadurch beeinträchtigt. Doch das macht zum Glück den erfahrenen Piloten nichts aus, denn wir können sofort in die kleine Propellermaschine von Tara-Air einsteigen. Mehr als 20 Leute haben hier keinen Platz. Wir starten pünktlich um 6.06 Uhr. Zuerst nichts als Wolken, aber dann reißt es plötzlich auf und wir erleben einen spektakulären Flug durch das tiefste Tal der Erde, zwischen Dhaulagri und Annapurna.

An keiner anderen Stelle lässt sich der Himalaja leichter überwinden als durch die Kali Gandaki Schlucht und nirgendwo ist Tibet einfacher zu ersteigen als über den Kore-Pass. Diese Route ist ein uralter Handelsweg für Salz, der Tibet mit Indien verbindet
Leider endet dieser fantastische Flug bereits nach 17 Minuten und wir landen per Kamikaze um 6.23 Uhr auf dem kleinen Rollfeld von Jomsom, einem der gefährlichsten Flughäfen der Welt.

 

Auschecken und Permitkontrolle gehen sehr rasch und so sind wir kurz nach der Landung mit zwei Porter, bei bestem Wetter und toller Sicht auf die Nilgiri-Gruppe, auf dem Weg zum Jeep-Check. Der befindet sich gleich nach der Holzbrücke, ca. 25 Minuten zu Fuß vom Flugplatz. Mit dem vielen Gepäck haben wir keine Lust 3h nach Kagbeni zu laufen und haben deshalb schon im Vorfeld beschlossen den Jeep zu nehmen.

 

Jomsom besteht nur aus wenigen Hotels, einigen Geschäften, dem Flugplatz und dem Militärcamp, es ist ein trostloser Fleck. Gleich hinter dieser Trostlosigkeit beginnt der Weg in eine der unwirklichsten Regionen unserer Erde, Mustang. Ein Mythos, ein magischer Ort, ein letztes Shangri-La, gefangen zwischen Mittelalter und Moderne.

300NR/Person kostet der Jeep-Transfer nach Kagbeni und dauert ca. 45 Minuten. Die "Straße" ist sehr holprig und staubig und manchmal habe ich Angst, dass die Karre umkippt, aber lieber schlecht gefahren als gut und sicher gelaufen. Mir tun nur die Leute leid die auf der Straße laufen und den ganzen Staub und Gestank abbekommen. Die Annapurnarunde, wie wir sie 2002 erlebten, hat durch den Straßenbau bis hoch nach Muktinath viel von ihrem Reiz verloren. Aber davon später.

 

Wir sind wieder in [Kagbeni], zurück an einem Ort an den ich mich sehr gerne erinnere und der mich 2002 unheimlich faszinierte. Der festungsartige Aufbau, die engen Gassen, Geisterfallen, Manimauern mit Gebetsmühlen, die vielen Gebetsfahnen im Wind und der Blick hinein nach Mustang geben diesem Ort ein besonderes Flair.

Wir beziehen bei Pema Bista in der Redhouse-Lodge ein komfortables Zimmer mit Dusche und WC und haben um 8.00 Uhr "Frühstück in Kagbeni" im Freien, mit einem grandiosen Blick auf die Nilgiri-Gruppe. Bis jetzt hat alles super geklappt.  Wenn morgen Purna und Deepak, wie per E-Mail ausgemacht, pünktlich am 2. Mai in Kagbeni eintreffen, steht unserem Mustang Abenteuer nichts mehr im Weg. Kommen sie später, haben wir ein Problem, aber dieses Risiko war uns bewusst als wir die Reise planten.

 

Um 9.30 Uhr machen wir uns auf den Weg nach Tiri und zum Kloster, wir wollen etwas für unsere Akklimatisierung tun. Obwohl Tiri schon in Upper Mustang liegt darf man diesen Ort auch ohne Permit besuchen. Da der Kali Gandaki recht wenig Wasser führt können wir den riverbed-Weg nehmen und sind schon nach einer Stunde oben am Kloster.

Die [Sandup Choeding Gompa] ist 860 Jahre alt und damit das älteste Kloster der Gegend. Ein Blick ins Innere des Gemäuers lohnt sich, auch wenn es etwas länger dauert bis der "Mann mit dem Schlüssel" kommt.

Zurück gehen wir bei starkem Wind in 45 Minuten auf der Westseite und über die schwankende Metallbrücke. Unterwegs beobachten wir Jugendliche beim Bogenschießen und Badende am Zusammenfluss von Kali Gandaki und Dzong Kola. Ein Lastwagen ist im Flussbett stecken geblieben, er wird entladen und viele Leute versuchen ihn wieder flott zu bekommen.


Wieder zurück mache ich einen Foto-Bummel durch den Ort zur Gompa. Ein Hund bellt mich aggressiv vom Dach herunter an und versperrt mir den Weg. Ich erschrecke ordentlich und bin froh, dass wir die teure Tollwutimpfung durchgeführt haben. Was ich nicht weiß, dies ist meine einzige unangenehme Hundebegegnung auf der ganzen Reise.

 

In der Redhouse-Lodge kann ich mit Pemas PC für 400NR/h eine E-Mail nach Hause schreiben, teuer, aber wer weiß wann ich in den nächsten 2 Wochen wieder dazu Gelegenheit habe.  Und in Pemas Schrank, wo sie Bier lagert und  "kühlt", finde ich unverhofft meine Lieblingskekse, die  Schoko Bonbon Biscuits, ich kann es nicht glauben!! Ich kaufe gleich 5 Packungen ein und bin gespannt ob sie noch so gut schmecken wie 2002. Aber ja doch!!

 

Die Redhouse-Lodge ist leer, keine Touris außer uns. Wir fragen Pema was der Grund ist. Sie beklagt sich über die neue Straße hoch nach Muktinath. Seit es diese Straße gibt erzählt sie, fahren die meisten Touris die die Annapurnarunde machen von Muktinath mit dem Jeep nach Jomsom und fliegen aus. Die wenigsten Trecker laufen noch, wer will auch auf der Straße eingestaubt werden, und die Lodges an der Strecke haben das Nachsehen.

Heute kann man die Annapurnarunde locker in 10 Tagen machen. Was entgeht einen da alles. Wir sind so froh den Circuit 2002 gemacht zu haben, wo es die Straße noch nicht gab. Ich glaube bei Mustang ist es auch fünf vor zwölf. Wenn die Straße fertig ist wird sich hier das Gleiche wiederholen wie auf der Annapurnarunde. 

 
Pema präpariert uns für Mustang, sie meint wir müssen unbedingt das Wort "Otschee" lernen und uns merken. Otschee sei das Namaste in Mustang. So üben wir fleißig die Aussprache, wenn es auch noch nicht so klappt und Pema ihren Spaß mit uns hat. Otscheeeeee wird mit einem ganz langen eeee ausgesprochen!

 

Beim Wäscheaufhängen entdecke ich oben auf dem Dach einen Solarkocher. Das ist ein großer, metallener Parabolspiegel mit dem man im Brennpunkt 150-200°C erreichen kann. So kann man mit Hilfe von Sonnenlicht energiesparend Wasser erwärmen, oder auch grillen, hightech in Upper Mustang.  

 

 

 


02. Mai 2011, Kagbeni

Uns beschäftigt beim Frühstück nur eine einzige Frage, kommen heute Purna und Deepak und können wir morgen mit dem Mustang-Trekking beginnen? Da unser Permit für den 03. Mai ausgestellt ist verlieren wir mit jedem Tag an dem wir später starten Zeit, die uns fürs Trekking fehlt, denn am 12. Mai müssen wir wieder abends in Kagbeni sein, so sind die Vorschriften. 10 Tage Mustang bedeutet, dass man die zehnte Nacht, egal was passiert, wieder außerhalb der Grenze von Upper Mustang verbringen muss.

 

Wir wollen heute weiter unsere Höhenanpassung verbessern und deshalb auf den viewpoint [Sher-Dhak] steigen. Geschätzte Höhe mindestens 3500m, also ein Aufstieg von über 700 Höhenmeter und das in voller Sonne, deshalb sollte man zeitig am Morgen losgehen!

Wir sehen den oberen Teil des Zigzack-Weges hoch zum Aussichtspunkt von der Lodge aus ein, einige Leute sind schon auf dem Weg zum Gipfel. Wir gehen wieder über die eiserne Hängebrücke und suchen den Einstieg. Wir sehen ab und zu Gebetsfahnen, aber der Einstieg bleibt uns verborgen. Etwas frustriert laufen wir in Richtung Tiri und folgen einem breiten Weg in ein Hochtal. Egal, viewpoint oder Hochtal, uns geht es in erster Linie um die Höhe!!

 

Wir kommen zu einer Hochweide wo unzählige Ziegen die niedrigen Wacholderbüsche abfressen, gehütet von mehreren Hirten mit Schleudern. Unser Blick schweift weit über das Kali Gandaki Tal hinein nach Mustang und gegenüber sehen wir den Thorang La Pass.

Ich gehe den Hang hinauf bis auf 3420m, und bin fast auf Höhe des viewpoint. Ich merke die Höhe und weiß auch, dass wir nicht optimal angepasst sind. Wir werden beim Mustang-Trekking bestimmt einige Höhenprobleme bekommen, immerhin müssen wir über mehrere 4000er Pässe. Zwei Tage reichen für eine gute Akklimatisierung nicht aus, man sollte mindesten 3-4 Tage in Kagbeni verbringen.

 

Um 12.00 Uhr sind wir wieder in der Redhouse-Lodge, wir duschen und warten auf Purna und Deepak. Wir erzählen Pema, dass wir den Einstieg nicht gefunden haben, wir hätten sie vorher einfach fragen sollen, war ihre lapidare Antwort! Um 14.00 Uhr sind Purna und Deepak da! Sie begleiteten eine 20 köpfige Touristengruppe für 10 Tage nach Muktinath und zurück nach Pokhara und fuhren dann in 2 Tagen mit dem Jeep wieder nach Kagbeni.

Wir freuen uns unseren alten Freund Purna wiederzusehen und seinen Verwandten Deepak kennenzulernen, ein stiller, sehr angenehmer und cleverer Nepali. Wir bereden unsere Mustang-Trekking Tour und feiern bis 20.00 Uhr Wiedersehen.

 

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