19) Freitag, 18.10.2002  Tukuche (2590m) – Ghasa (2010m)

 

  15.00 Uhr, heute bin ich fix und fertig, meine Füße sind müde, mein Kreuz tut weh, ich habe die Schnauze gestrichen voll. Heute reicht es mir. Wir sitzen in der Eagle-Nest-Lodge in Ghasa und ich esse mit Reinhard zusammen seine letzte Salami auf. Aber alles der Reihe nach!

 

  Um 7.45 Uhr verlassen wir die gastliche Lodge in Tukuche. Vorher kaufen wir beim Wirt noch zwei kleine Flaschen Brandy, die Destillery macht leider erst viel später auf. Wir hätten sie gerne besucht. Der Weg verläuft wieder teilweise im Flussbett, manchmal entlang des Ufers. Der Uferweg ist ein stetiges bergauf, bergab. Man hat zwar die schöneren Ausblicke, aber er ist sehr anstrengend. Die Pferde- und Donkeykarawanen ziehen  aus diesem Grunde das Flussbett vor.

  Wir kommen nach Kobang (2560m). Der Ort macht auf uns einen schmutzigen Eindruck. Interessant ist, dass die Häuser teilweise über den Weg gebaut sind, so dass man sich wie in einem Tunnel vorkommt. Diese Bauweise schützt besonders gut vor Wind und Schnee. Ich muss einige Zehen mit Pflaster abkleben, sie reiben an meinen Trekkingsandalen. Ich verarzte mich auf einer Wiese direkt am Fluss. Die Flora überrascht mich hier; grün bis an das Flussbett und Bäume direkt am Wasser. Ein buntes Haus, im westlichen Stiel gebaut, steht am Ufer, es passt überhaupt nicht in die Landschaft. Auf dem Weiterweg nach Larjung finden wir am Wegesrand viele wilde Cannabispflanzen. Manch einer schwärmt für die hiesige Qualität. Aber Vorsicht, auf Besitz und Vertrieb von Haschisch stehen auch für Ausländer hohe Strafen. Manch einer vegetiert im Gefängnis von Kathmandu vor sich hin.

  Hoch über dem Dorf Larjung thronen der Dhaulagiri und Tukuche Peak, dazwischen liegt in einem Sattel der Dhaulagiri-Eisfall. Als Maurice Herzog in den 50er Jahren den ersten Achttausender besteigen wollte, peilte er den Dhaulagiri an. Sie konnten aber keinen gangbaren Weg finden, auch der Eisfall schien absolut unmöglich. Später bestiegen sie die Annapurna I. Für einen Ausflug zum Eisfall muss man mindestens 10 Stunden rechnen.

 

  Nach 3 ¼ Stunden, um 11.00 Uhr erreichen wir Kalopani (2530m). Man bemerkt sofort, dass hier wieder mehr Regen fällt. Alles ist grüner, es gibt Tannen, Kastanien, die ersten nicht bewässerten Buchweizenfelder, riesige Hanfbüsche, und geneigte Dächer. Gleich am Ortseingang machen wir im Garten einer German Bakery Rast. Zwei große Hunde leisten uns dabei Gesellschaft. Ein elegant angezogener Kellner nimmt unsere Bestellung auf. Der Schokokuchen schmeckt wirklich prima. Die „Bäckersfrau“ wirft nach einem streunenden Hund einen großen Stein und trifft ihn am Hinterlauf. Jaulend rennt der arme Kerl die Straße hinauf. Allgemein scheinen die Nepalesen nicht sehr freundlich mit Tieren umzugehen.

  Um 11.45 Uhr marschieren wir weiter. Ich habe überhaupt keine Lust mehr, mein Kreuz schmerzt. In Lete wartet der nächste police-check auf uns. Heute sind wieder viele Donkey-Trecks unterwegs, der Weg ist zentimeterdick mit Mist bedeckt. Ich bin wieder in Sandalen unterwegs. Es geht schon, aber ich muss sehr aufpassen, dass ich nicht umknicke. Nach Lete müssen wir einen Landsslide (Erdrutsch) überwinden, anschließend geht es bergab. Der Wind ist heute nicht so stark, sehr angenehm. Plötzlich kommen uns zwei Porter entgegen. Jeder trägt zwei lange Holzbalken. Damit sie mit ihrer Last durch die engen Gassen kommen, müssen sie schräg gehen. Wir haben ähnliche Bilder in Birgits Buch und auf Dias gesehen, aber wenn man es live erlebt: Uns verschlägt es die Sprache!

 

  Zwischen den Ortschaften Lete und Kaiku (2085m) wandern wir durch dichte Bergbambuswälder abwärts. Der Durchmesser mancher Bambusstangen beträgt bis zu 15cm und ein Stock erreicht die imposante Höhe von ca. 10-15 m. Jetzt fängt es auch noch leicht an zu regnen. Endlich verkündet Purna, wir sind in Ghasa. Doch das Dorf ist sehr langgezogen. Bis wir in der Eagle-Nest-Loge sind, dauert es noch über 20 Minuten. Die schmucke Unterkunft liegt leider fast am Ortsende. Wir kommen an vielen Häusern vorbei, die einen reichen, bunten Blumenschmuck im Garten haben. Es ist bereits 14.15 Uhr, als wir endlich unser heutiges Etappenziel erreichen.

  Duschen, umziehen und Black Tea trinken. Soviel Tee wie auf dieser Tour habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht getrunken. Momentane Stimmung 15.15 Uhr: Ein Wasserbüffel steht am Eingang zur Lodge, Rotz läuft ihm aus der Nase, mit seinen blöden Augen starrt er uns an, der Haushund liegt brav bei uns und lauert auf ein Stück Salami. Sweety, die junge Chefin, scheucht die Hühner aus dem Garten. Baumgrillen melden sich lautstark zu Wort. Um uns herum blühen viele Tagetes und an zwei „Bäumen“ hängen rote und grüne Tomaten. Ein ziemlich dicker Franzose kommt schnaubend die Treppe herunter. Purna verjagt grinsend den harmlosen Wasserbüffel, damit verängstigte Trekker durch den Eingang können.

 

  Heute Abend lassen wir es uns richtig gut gehen. Reinhard bestellt Hähnchen, ich Lasagne und Bier. In der Lodge treffen wir wieder das walisische Pärchen von Chame. Die Eagle-Nest-Lodge ist gut besucht. Ordentliche Unterkünfte sprechen sich unter den Trekker schnell herum und der Lonely-Planet-Führer hilft dabei. Die junge Sweety hat alles energisch im Griff und trotzdem für jeden ein nettes Wort übrig. Im Diningroom steht sogar ein Farbfernseher und in der Theke finden wir ein Buch von Birgit Wenzel. 18.15 Uhr ich habe Hunger, es wird Zeit, dass das Essen kommt. In der Gaststube ist es gemütlich und warm. Ich bin heute rechtschaffen müde und freue mich auf den Ruhetag in Tatopani. Endlich kommt das Essen, es sieht köstlich aus. Die Lasagne mit Gemüse und Pilzen ist wirklich vom Feinsten. Der Koch ist ein Inder, wir loben ihn für das gute Essen. Ich bin sehr angenehm überrascht, wie gut das Essen schmeckt und wie sauber bisher die Toiletten auf dem gesamten Treck waren.

  Die Lasagne ist heute der absolute Renner, viele Gäste haben sich für dieses Gericht entschieden. Sweety ist sehr aufmerksam und versorgt ihre 17 Touris aufs Beste. Was so ein Bier ausmacht, Reinhard spielt mit Engländern „Hol’s der Geier“. Ich habe mir als Nachtisch noch ein Stück apple-crumble genehmigt. Der Kuchen schmeckt köstlich, könnte bei uns daheim nicht besser sein. Reinhard isst einen apple-pie custert, Apfelkuchen mit warmer Vanillesoße. Die Lodge ist wirklich super, hier könnte man es einige Tage aushalten.

  20.00 Uhr Reinhard spielt Scippo, während ich mich nett mit einem englischen Ehepaar unterhalte. Unsere Waliser sitzen leider etwas abseits. Zwischendurch haben wir mehrmals Stromausfall, aber schnell sind Kerzen auf dem Tisch. Um 21.00 Uhr ziehen wir uns in den Schlafsack zurück.

 

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