20) Samstag, 19.10.2002 Ghasa (2010m) – Tatopani (1190m)

 

  Um 14.30 Uhr sitzen wir in Tatopani im tollen Garten der Dhaulagiri Lodge unter Zitronen- und Mandarinenbäumen, umgeben von blühenden Weihnachtssternen und trinken wohlschmeckenden Kaffee. Die Grillen und Zikaden machen ein Höllenspektakel. Viele Blumen, die bei uns daheim auf dem Fensterbrett stehen, wachsen hier im Freien. Es ist angenehm warm. Der Hahn kräht erbärmlich. Ein Trekker hat sicher wieder chicken-curry bestellt und seinen Harem um ein Huhn dezimiert.

 

  6.30 Uhr aufstehen, fühle mich nicht gut, habe leichtes Halsweh. Den Gürtel muss ich auch schon wieder enger schnallen. Ich vermute, dass ich trotz dem guten Essen und den Bieren schon einige Kilos abgenommen habe. Nach dem Frühstück machen wir im Garten noch ein Bild von Sweety. Um 7.45 Uhr schultern wir unser Gepäck und verlassen die gastliche Eagle-Nest-Lodge.

  Nach dem Überqueren einer langen Hängebrücke müssen wir einen Erdrutsch überwinden, anschließend steigen wir über viele Stufen steil bergab und nach 2 Stunden stehen wir vor einem imposanten Wasserfall. Ein Hund begleitet uns seit einiger Zeit, er geht sogar mit uns über eine Hängebrücke. Er hat es anscheinend auf mich abgesehen, er macht mich schon etwas unruhig. Purna und Reinhard amüsieren sich köstlich. Mir ist das Ganze nicht geheuer, hat man doch einiges über tollwütige Köter gelesen.

 

  Hunde: In der Literatur wird oft vor den Hunden gewarnt. Bis jetzt waren sie sehr freundlich und in keiner Weise aggressiv. Sie liegen lieber faul herum und ignorieren uns. Sie sind recht nett anzuschauen, oft hellbraun und harmlos, hoffentlich bleibt es auch so. Im Gegensatz zu dem, was man immer liest, sind die Köter nachts bis jetzt meistens ruhig geblieben und lassen uns schlafen.

 

  Die Landschaft hat sich wieder total verändert. Wir kommen an Zitronen- und Orangenplantagen und an Reis- und Buchweizenfelder vorbei, bewundern Bananenstauden mit ihren langen dunkelroten Blüten, entdecken Agaven, riesige Hanfbäume und herrlich blühende, buschgroße Weihnachtssterne. Es ist wieder richtig subtropisch geworden. Überall das furchtbar laute Grillengezirpe, erfreulicher die schönen großen Schmetterlinge und die flinken Eidechsen. Um 11.15 Uhr kommen wir nach 3,5 Stunden nach Dana und machen in der einladenden Kabin Lodge Rast. Es ist heute wieder ziemlich warm und wir brauchen unbedingt etwas zum Trinken. Die Wirtin, vergleichbar in ihrer Art mit Sweety, ebenso resolut und schaffig, heißt und herzlich willkommen. Wir sitzen im Garten unter Zitronenbäumen, haben einen tollen Blick auf Annapurna Süd und trinken frisch gepressten Zitronen- und Orangensaft. An der Gartenmauer steht ein herrlich lila blühender, riesiger Bougainvilleabusch.

  Für mehrere Jahrzehnte war Dana der Verwaltungsort für das untere Mustang und hatte viel am Salzhandel verdient, deshalb gibt es noch einige Häuser mit pompös geschnitzten Holzfenstern. Dana war der Ort, von dem aus Maurice Herzog 1950 dem Miristi Khola flussaufwärts folgte und dabei das Annapurna Base Camp entdeckte.

 

  Um 12.15 Uhr gehen wir weiter. Wieder ein toller Wasserfall, diesmal aber auf der anderen Flussseite. Es ist heute gut warm, aber zum Glück liegt der Großteil des Weges im Schatten. Wir treffen unterwegs Einheimische und viele Jugendliche in Schuluniformen. Die Jungs schäkern mit den kichernden Mädchen, genau wie bei uns in Deutschland und Purna beteiligt sich fleißig daran. Über viele Treppenstufen geht es hinunter nach Tatopani. Es sind wieder viele Donkeys unterwegs, demzufolge ist der Weg wieder total verkackt und die ganze Zeit über riecht man den strengen Maultiermist. Wir kommen durch einen kleinen, in den Fels gehauenen Tunnel, und sind kurz vor 13.45 Uhr in Tatopani. Wir marschieren noch eine kurze Strecke durch das Dorf, bis Purna endlich nach links in die Dhaulagiri Lodge abbiegt. Der Weg war heute wieder recht einfach und bei weitem nicht so anstrengend wie gestern. Ich bin die ganze Strecke wieder in Sandalen gegangen. Jedes Mal, wenn ich meine Trekkingschuhe anziehe, muss ich den Knöchel mit Tempotaschentüchern polstern, sonst ist der Schmerz nicht auszuhalten.

 

  Mehrere kleine Häuschen sind im wunderschönen Lodgegarten verstreut. Davon bekommen wir eines, ganz in der Nähe am Weg zu den hot-springs. Tatopani heißt „heißes Wasser“. Die heißen Quellen entspringen direkt am Flussufer. Wir müssen nur durch den Garten, eine Treppe hinuntersteigen und schon sind wir dort. Aber vorher wird erst ausgepackt, geduscht, große Wäsche gemacht und anschließend ist Relaxen angesagt. Unser Häuschen ist doch nicht so das Gelbe vom Ei. Bad und WC haben wir gemeinsam mit einem anderen Bungalow. Das Klo funktioniert nicht richtig, ebenso das Licht und im Bad steht nach dem Duschen zentimeterhoch das Wasser. Wenn wir schon zwei Tage hier bleiben, werden wir nachfragen, ob sie uns nicht eine bessere Unterkunft geben können. Ich freue mich richtig auf den freien Tag in Tatopani. Endlich einmal wieder richtig ausspannen und sich erholen können. Habe noch immer Halsweh.

  Wir besuchen kurz die „heißen Quellen“ am Fluss. Es ist dort eine richtige kleine Badeanstalt entstanden, mit 2 Pools, Kiosk, primitive Umkleide und einem „Massagestudio“.

  Die beiden Waliser sind auch in unserer Lodge untergekommen und Sven und Daniela tauchen zu unserer Freude auch wieder auf. Nach der Nacht in Jomson, ging es Daniela wieder viel besser und so konnten sie etwas strammer laufen und  innerhalb zweier Tage Tatopani erreichen. Jetzt können wir endlich wieder Skat mit den fettigen Karten spielen. Der Lodgegarten ist herrlich, man kommt sich fast wie im subtropischen Dschungel vor. Riesige, lecker aussehende Zitrusfrüchte liegen unbeachtet auf dem Boden herum. Werde mich bei Gelegenheit um sie kümmern!

  Nach dem Essen, bei Einbruch der Dämmerung um 18.00 Uhr, verstummen schlagartig die Grillen, jetzt werden die Leuchtkäfer und Fledermäuse aktiv. Nehme zwei Aspirin gegen das Halsweh. Wir besuchen Sven und Daniela in der Trekkers-Inn-Lodge. Es ist abenteuerlich mit der schwachen Taschenlampe über die unbeleuchtete Hauptstraße zu gehen. Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht stolpert und in den Abwasserkanal fällt.

 

  Wir spielen bis 20.30 Uhr Skat. Die Karten sind jetzt fast am Ende, sie laufen überhaupt nicht mehr. Man kann nicht mehr richtig geben. Man muss jede Karte einzeln in die Hand nehmen und hat trotzdem keine Garantie, dass man sich nicht vergibt.

  Reinhard kann nicht einschlafen, er hat heute zuviel von dem guten Kaffee getrunken. Er liest die halbe Nacht, bei elektrischem Licht ist das kein Problem.

 

nächster Tag

 

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