24) Mittwoch, 23.10.2002 Ghorepani (2775m) – Poon Hill (3210m) – Tadapani (2590m)

 

  Obwohl wir nur zu sechst in der Lodge übernachten, ist kurz nach 4.00 Uhr eine ansteckende Unruhe auf dem Gang. Also dann, doch aufstehen und schnell anziehen. Um 4.30 Uhr gehen wir bei Vollmond und mit Taschenlampen los. Die zwei Norweger begleiten uns. Am Anfang verläuft sich Purna kurz, aber bald sind wir auf dem richtigen Weg. Wir sind nicht die ersten, vor uns sehen wir einige Lichter, aber noch mehr hinter uns. Es ist eisig kalt, aber bald komme ich unangenehm ins Schwitzen. Nach einiger Zeit sehen wir einen Gipfel mit Gebetsfahnen, aber dies ist nur ein Vorgipfel, wir müssen nach einige Minuten weiter aufsteigen. Um 5.15 Uhr sind wir endlich am Ziel. Seit dem Jahr 2000 gibt es einen hohen, eisernen Aussichtsturm. Absolut unnötig, man hat auch von unten die „beste Sicht“. Es dauert noch einige Zeit bis zum Sonnenaufgang, wir sind viel zu früh hier. An einer Hütte kaufe ich mir eine heiße Schokolade. Sie ist zwar unverschämt teuer, tut mir aber unheimlich gut. Langsam füllt sich der flache, baumlose Gipfel mit Menschen, ich denke, so an die 200 Trekker, wo kommen die denn bloß alle her?

  Endlich bescheint um 5.45 Uhr die Sonne die Gipfel von Dhaulagiri und Machapuchare. Überall knipst und blitzt es, ein Raunen geht durch die Menge.Verflixt, gerade jetzt muss ich den Film wechseln. Ich nehme den Film, den ich in Tatopani gekauft habe heraus, und will ihn automatisch einfädeln lassen, aber es funktioniert nicht, er sitzt fest und lässt sich auch nicht mehr herausziehen. Das darf doch nicht wahr sein!  Das Verfallsdatum des Films ist aber okay. Ich kann machen, was ich will, es arbeitet nicht, gerade jetzt. Meine Spiegelreflexkamera lässt mich auf dieser Tour ganz schön im Stich: Zuerst die Batterien, dann das Objektiv beim Sturz und jetzt der Filmeinzug. Ich bitte Reinhard, für mich einige Bilder mitzumachen. Ich bin von dem ganzen Trubel auf dem Poon Hill enttäuscht. Ich habe mir diesen Sonnenaufgang etwas spektakulärer vorgestellt, den hätte ich sicher genau so gut in unserer Lodge vom Schlafsack aus gesehen. Ich bin natürlich auch etwas frustriert wegen dem Film, 450 NPR für die Katz.

 

  Um 7.15 Uhr sind wir wieder zurück und frühstücken. Wir verlassen Ghorepani um 8.45 Uhr. Ich kaufe mir in einem Laden einen neuen Diafilm und der lässt sich auch problemlos einfädeln. Der langhaarige „Inka“ sitzt bereits wieder an seinem Platz und kämmt sich seine Haare. Es geht gleich wieder mit Hilfe von Steintreppen ziemlich steil bergauf. Anschließend auf und ab durch einen fantastischen Rhododendronwald. In unserem Rücken haben wir das tolle Panorama der Dhaulagiri Range. Zweimal  sehen wir das Flugzeug von Pokhara oder Jomson kommen, extrem tief über Ghorepani einfliegen. 

  Wir sind mit einer größeren französischen Gruppe unterwegs. Die Berge ziehen langsam zu, es wird kälter. Leichter Nebel kommt auf, wir sind jetzt über dem Poon Hill und schauen auf ihn herab. Ich marschiere heute in meinen Bergschuhen, ist auch besser so, Sandalen sind heute fehl am Platz. Mein linker Knöchel schmerzt gleich wieder. Ich versuche ihn mit Tempotaschentüchern, so gut es geht, zu polstern. Die Wegfindung ist auf der ganzen Umrundung, obwohl es fast keine Hinweisschilder gibt, absolut unkritisch. Man läuft entweder der Meute nach oder man orientiert sich am Maultiermist. Wenn wir doch einmal falsch gehen, machen uns die Einheimischen lautstark darauf aufmerksam.

 

  Nach 2 Stunden, um 10.45 Uhr erreichen wir Deurali (2990m). Es ist buschig kalt geworden. In einem Teehaus mit großem Souvenirshop, direkt am Weg gelegen, machen wir Pause und trinken warmen Tee. Viele Trekker rasten hier. Ein Schild weist auf einen Aussichtsturm ganz in der Nähe hin. Auch hier kann man den sunrise beobachten, hier ist bestimmt kein so großer Trubel.

  Jetzt müssen wir ziemlich steil und glitschig ein Flussbett entlang wandern, ähnlich unserem Monbachtal. Viele Stufen helfen uns beim Abstieg. Wir sind froh, dass wir hier nicht aufsteigen müssen. Es ist wie im Urwald, überall Wasserfälle, an einigen hängen blühende kleine blaue Blumen. Die Schlucht wird noch enger, es ist feucht und riecht modrig. Nach weiteren 1,5 Stunden essen wir etwas in einer kleinen Lodge in Banthani (2520m). Banthani ist kein richtiges zusammenhängendes Dorf, es gibt nur ab und zu einige weit verstreute Häuser. Unsere Rastlodge ist ziemlich voll, wir bekommen aber ein lauschiges Plätzchen abseits der Meute. Es sind heute überraschend sehr viel Trekker unterwegs, meistens Gruppen von Franzosen. Einige Hühner rennen unter unserem Tisch herum und suchen nach Überresten unseres Essens. Das Wetter ist heute nicht so gut, es ist bewölkt, kalt und es sieht nach einem baldigen Regenschauer aus.

  Nach der schmackhaften Stärkung gehen wir weiter. Der Weg verläuft eben durch den Urwald. Es ist feucht, an den hohen Bäumen hängen lange Flechten und Vögel und Grillen lärmen. Urplötzlich  kommen wir aus dem Wald heraus und haben einen tollen Rundumblick auf den Urwald. Nun folgt ein steiler, rutschiger Abstieg in ein Flusstal und auf der anderen Seite ein genauso anstrengender Aufstieg. Warum gibt es hier keine Hängebrücke? Nach vielen Kehren erreichen wir endlich ebenes Gelände. Jetzt ist es nicht mehr so anstrengend und nach wenigen Minuten kommen wir um 14.30 Uhr abgekämpft in Tadapani an.

 

  Tadapani liegt in einer Rodung und bedeutet übersetzt „weit entferntes Wasser“ (pani = Wasser). Die Wasserversorgung befindet sich ein ganzes Stück unterhalb des Dorfes. Vor dem Bau der Wasserleitung mussten Träger das Wasser zum Dorf bringen. Dazu brauchten sie über eine halbe Stunde. Als wir aus dem Wald treten, fallen uns gleich die vielen blauen Gebäude auf, ein Haus mit einem markanten Turm und der tibetanische Markt, der gleich gegenüber unserer Lodge (Himalayan-Guest-House) aufgebaut ist. Der Blick auf Annapurna Süd (7219m), Hiunchuli (6441m) und Machhapuchhare (6997m) ist dramatisch.

  Gleich nach der Ankunft waschen und hot-shower. Die Dusche ist super und richtig warm. Heute bin ich überhaupt nicht gut drauf. Zuerst das Problem mit dem Film am Poon Hill, dann das stetige Auf und Ab und dazu immer die Schmerzen im linken Fuß. Aber ich denke, die letzten zwei Etappen packe ich auch noch. Wir sind jetzt fast 3 Wochen unterwegs, es reicht jetzt. Ich habe für die nächste Zeit vom Wandern die Nase gestrichen voll.

  15.15 Uhr. Ich habe auf dem tibetanischen Markt einige Kleinigkeiten (Schals, Kette) eingekauft, da weiß man wirklich nicht ob man beschissen wird. Die Verkäuferin war sehr nett und läßt auch mit sich handeln, aber ich habe keinen blassen Schimmer, was das Zeug wirklich wert ist. Den Rest meiner Mitbringsel kaufe ich in Kathmandu ein. Ich habe keine Lust, die ganzen Souvenirs auch noch mit mir herumzuschleppen.

 

  Der Diningroom ist heute Abend ziemlich voll. Viele Nepalesen haben sich auch in den warmen Raum geflüchtet und warten aufs Essen, aber sie bekommen ihr Daal Bhaat immer zuletzt. Habe mich heute für Spaghettis entschieden. Sie kommen pünktlich um 17.30 Uhr und sind sehr gut. Wir trinken heute 4 Flaschen (je 650ml) Toburg-Bier. Purna spendiert auch eine Flasche. Wir unterhalten uns mit einem Nepalesen und drei Engländern. Der Nepalese hat ein Reisebüro und eine Vertretung in München. Er spricht sogar etwas deutsch und macht einen recht wohlhabenden Eindruck. Er ist auch als Tourist unterwegs. Neben Reinhard sitzt eine junge Norwegerin, sie ist schon ein Jahr alleine unterwegs auf Weltreise. Ich habe so den Eindruck, wir mit unseren 5 Wochen sind da in der Minderheit. Wir berichten von unseren Erlebnissen, auch vom Thorung La und der Maus. Der Nepalese fragt, ob wir das Tierchen auch gesehen haben. Ich antworte: „Ja, mit einer Sauerstoffausrüstung.“ Bei der Vorstellung eine Maus mit Sauerstoffgerät müssen alle herzhaft lachen.

  Bereits um 19.30 Uhr verziehen wir uns in unsere Schlafsäcke, ich kann aber lange nicht einschlafen. Von unten dringt laute Musik herauf (Trekkingtour-Abschlussfeier mit Trommeln) und unser Zimmer ist sehr hellhörig. Die Wände sind extrem dünn und man hört jedes Geräusch. 2-3 Zimmer weiter vorne halten zwei Frauen ein Dauergespräch.

 

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