11) Donnerstag, 10.10.02. Chame (2670m) - Pisang (3190m)

 

  Hot-shower!! Sitze frisch geduscht um 14.30 Uhr auf der Terrasse und schreibe mit Blick auf Annapurna II und Pisang-Peak (6091m) Tagebuch. Was für ein toller Tag, was für eine fantastische Tagestour!!

 

  Wie üblich, die innere Uhr meldet sich, um 6.30 Uhr aufstehen und um 8.00 Uhr Abmarsch. Reinhard ist wieder gut drauf. Zu Beginn, mehrere leichte Aufstiege durch Wälder. Die Gegend erinnert mich stark an unsere Touren in Österreich. Um 10.00 Uhr kommen wir an einer Apfelplantage vorbei, gesichert von einem langen und mit Dornen belegten Steinwall. Die Bäume hängen voller Äpfel. Kurz nach der Plantage erreichen wir Bhratang (2840m), wo die Äpfel an Trekker verkauft werden. Jeder von uns leistet sich 3 Stück für 10 NPR. Wir haben richtigen Heißhunger auf Obst, sie schmecken köstlich. Ein Trekker fragt mich nach Batterien. Ich empfehle ihm, in Chame welche zu kaufen.

  2-3 Erdrutsche sind zu überwinden, ansonsten ist der Weg problemlos und recht breit. An einer Stelle musste er sogar aus der Felswand herausgehauen bzw. herausgesprengt werden. Kurz darauf der gigantische Blick auf den Paungda Danda (Oble Dome 4665m). Der Berg ähnelt einer überdimensionalen Steilwandkurve oder einem Amphitheater, nur viel gewaltiger und imposanter. Gletscher haben diese riesige, glatt polierte Kurve geformt, ideal zum Inlinen!. Der Oble Dome spielt eine wichtige Rolle für die Gurung Bevölkerung. Sie glauben, dass die Seelen ihrer Toten über diesen Berg heim zu ihren Vorfahren nach Tibet gelangen. 

  Der Weg  ist einsam, oft bin ich allein voraus, habe dabei doch  manchmal etwas Bammel. Wir haben gehört, am Tilicho-Lake sollen vor wenigen Tagen 2 Briten umgebracht worden sein.

 

  Nach der Überquerung der neuen Hängebrücke kommt bis Pisang der absolute Traumweg. Wir verlassen den Fluss, es wird ganz ruhig, man hört die Vögel. Hier oben hat bereits der Herbst Einzug gehalten. Viele Blätter sind schon verfärbt oder liegen auf dem Boden. Wir entdecken Preiselbeeren, Wacholderbüsche und Lärchen. Der Weg ist mit Nadeln gepolstert. Man hat das Gefühl, sich in den Alpen auf einer Hochalm zu befinden, nur dass es hier viel, viel schöner ist und dass man nicht auf 1500m sondern über 3000m hoch ist. Im Blickfeld viele hohe, schneebedeckte Berge.

  Es folgt ein langer, fast  40minütiger Anstieg durch den Tannenwald, anschließend ist es bis Pisang fast eben. Mitten im Wald verkauft ein Einheimischer Souvenirs, Ketten, Anhänger, Mützen. Langsam bekomme ich Hunger. Purna schätzt noch 40 Minuten bis zur nächsten Lodge. Um 12.00 Uhr erreichen wir das „Hotel Adlon“ in traumhafter Lage. Ich würde es jederzeit dem komfortablen Original in Berlin vorziehen. Hier ist das wahre Paradies. Wir sitzen auf der Holzterrasse, kurze Hosen, im Sweatshirt, die Sonne brennt herunter, die Aussicht ist genial. Ich esse Nudeln mit Käse und bin vollkommen zufrieden. Nur das laute Gerede von mehreren jungen Franzosen und Israelis am Nebentisch stört die Idylle. Hier gibt es sogar eine gute Bakery. Mit vollem Magen machen wir uns auf den Weg. Merke: Mittags ist es nicht gut, wenn man zuviel isst! Noch eine Stunde bis Pisang.

  Ich habe wieder meine Trekkingsandalen angezogen, um meine Füße zu schonen. Wir machen unterwegs viele Fotos von Annapurna II, Pisang Peak, Upper Pisang, und von Einheimischen. Wir erreichen um 14.00 Uhr das Hotel Maya (Frieden) in Lower Pisang. Während hier unten am Fluss ein kleines Dorf aus Lodgen entstanden ist, steht das eigentliche Pisang weiter oben am Hang gebaut.

 

  Hier ist es endlich das Nepal, wie ich es mir immer vorgestellt und in Filmen gesehen habe. Steinhäuser mit Stroh oder Korn auf den Flachdächern, rauchende Kamine, schwarzhaarige braune Gesichter mit asiatischem Einschlag, wehende Gebetsfahnen und quietschende Gebetsmühlen. Es gefällt mir das erste Mal so richtig, fühle mich hier wohl und in eine ganz andere Welt versetzt, ich liebe diesen Ort. Hier sollte man mindesten einen Tag bleiben, schauen und staunen. First, I do my laundry, anschließend gehe ich unter die hot-shower. Danach fühle ich mich wie neu geboren, Hoffnung kommt auf, dass wir den Pass doch packen können.

  Wie in den anderen Lodges wird das warme Wasser durch die Sonneneinstrahlung gewonnen. Große, schwarze Plastikbehälter (500-1000l) stehen auf den Dächern und sind mit Rohren mit Wärmetauschern verbunden. Auf diesem Weg gewinnt man umweltfreundlich und billig warmes Wasser. Das Duschwasser scheint immer sauber zu sein, damit gibt es keine Probleme.

 

  Reinhard hat sich hingelegt, er hat es sich verdient, ich sitze auf der sonnigen Terrasse trinke Tee, und esse mein leckeres Teilchen (60NPR) vom Hotel-Adlon und genieße. Über dem Hoteldach erhebt sich der Pisang-Peak (6091m) mit seiner Schneekappe. An diesem Berg ist vor ein paar Jahren eine ganze DAV-Seilschaft tödlich abgestürzt. Gerade kommt eine Gruppe junger, lärmender Israelis vorbei, zum Glück gehen sie weiter und verschonen uns mit ihrer Anwesenheit. Diese unangenehmen Zeitgenossen, sind uns unterwegs schon negativ aufgefallen. Die Mädchen ziehen sich zum Sonnen fast nackig aus oder laufen rauchend in der Gegend herum. Etwas mehr Respekt vor der nepalesischen Kultur sollte man schon haben. Es weht ein kalter Wind, eine Kuh (Yak?)  läuft muhend die Straße herauf. Es gibt hier überraschend viele Kühe und Pferde, aber nur ganz wenige Donkeys. So ein Pech, jetzt kommen doch vier von den Chaoten. Später haben wir erfahren, dass sie mit den Lodgebesitzern verhandeln; sie essen nur, wenn sie die Übernachtung umsonst bekommen. Für uns vollkommen unverständlich bei einem Übernachtungspreis für ein Doppelzimmer von ca. 100-150 NPR. Anscheinend sind die Israelis nicht gern gesehene Gäste in Nepal und Indien.
  Eine allein trekkende Koreanerin sucht händeringend einen Porter und findet schließlich ein Opfer. Sie ist eine richtige Nervensäge.

 

  Die Sonne geht schnell unter, es hat abgekühlt. Ziehe wieder meine  3 wärmenden Schichten an und 2 Paar Socken. Diese Zwiebeltechnik hat sich sehr bewährt. Reinhard liegt in seiner Koje und liest „Der Pass“ einen "politischen" Roman von Renate Klöppe, wo es auch um die Annapurnarunde geht und um die Bader-Meinhoff-Gruppe.
  Ich erkunde das Dorf und schaue mir das Leben und Treiben an. Dabei entdecke ich viele fotogene „Rotznasen“. Ich überquere die Hängebrücke, laufe an Feldern und Vieh vorbei und steige die vielen Stufen hoch nach Upper Pisang. Eigentlich hatten wir geplant, hier zu übernachten und dann den Höhenweg zu nehmen, lassen es aber jetzt wegen unserer körperlichen Defizite sein. Das mittelalterliche Upper Pisang ist nicht so einladend, da übernachte ich doch lieber im Maya-Hotel bei unserer jungen, hübschen Wirtin. Sie hat angeblich einen Amerikaner zum Freund. Verständlich, sie ist sehr hübsch und hat prachtvolle, lange, schwarze Haare. Purna weiß schon, wo es sich lohnt einzukehren!

  Von Upper Pisang hat man einen traumhaften Blick auf Annapurna II. Auf dem Rückweg kommt mir ein laufender Strohhaufen entgegen. Unglaublich, was diese Menschen die steilsten Wege hochschleppen.

 

  Nach dem Essen sitzen wir bis 21.00 Uhr um den wärmenden Ofen herum, erzählen oder hören den anderen zu. Ich darf sogar einen kurzen Blick in die verräucherte Küche werfen. Ich mache einige Fotos, leider sind sie alle viel zu dunkel geworden, irgendetwas hat mit dem Blitz nicht gestimmt. Mit dem Englisch kommen wir gut zurecht, manchmal reden Reinhard und ich ganz unbewusst untereinander sogar Englisch. Wird Zeit, dass endlich Landsleute auftauchen, bis jetzt haben wir nur ganz wenige Deutsche getroffen.

 

nächster Tag

 

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