Allgäuer Klettersteigtour vom 08.09. - 12.09. 1991

Erfahrungen sammeln für die Brenta am Mindelheimer- und Hindelanger Klettersteig

In Anbetracht, dass wir demnächst in die Brenta fahren wollen und der Bocchette-Weg auf dem Programm steht, war Klettersteigerfahrung angesagt. Diesmal wollten wir auch keine lange Autofahrt unternehmen, folglich bot sich das Allgäu mit dem Mindelheimer- und dem Hindelanger Klettersteig geradezu an. Wir waren diesmal zu Dritt unterwegs, Rolf vervollständigte unser Bergtrio.

Mindelheimer Klettersteig: In einer Höhe von 2050m bis 2320m überwindet der Mindelheimer Klettersteig luftig die drei Schafalpenköpfe. Er gilt als schönster Steig der Allgäuer Alpen. 1973 begannen freiwillige Helfer der DAV Sektion Mindelheim mit der Anlage des Weges und den Eisenversicherungen. Der Klettersteig wurde 1975 eingeweiht und erfreut sich jedes Jahr wachsender Beliebtheit. Leider wurde der Steig schon mehrmals von so genannten Klettersteiggegnern zerstört und musste von der Sektion mit viel Geld wieder instand gesetzt werden.
Beim Begehen eines Klettersteiges sollte man zur eigenen Sicherheit sämtliche Vorschriften beachten: Nur bei guter Kondition, Trittsicherheit, absoluter Schwindelfreiheit und sicherem Wetter einsteigen, komplette Klettersteigausrüstung anlegen, Klettersteigneulinge gehen nur mit Erfahrenen, Kinder erst ab 12 Jahren (wegen den großen Griff- und Trittabständen) mitnehmen und stets anseilen

Hindelanger Klettersteig: Der Klettersteig wurde von der DAV-Sektion Allgäu/Immenstadt in den Jahren 1973-1975 erbaut und führt vom Nebelhorngipfel über den Großen Daumen und weiter zum Breitenberg bis nach Hinterstein. Die Länge des Steiges beträgt etwa 13km und man benötigt für die Begehung 8-10 Stunden. Die meisten Leute kraxeln aber nur bis zum Großen Daumen und gehen über das Koblat zurück zum Nebelhorn, eine bequeme Tagestour. Der Hindelanger Klettersteig ist in dieselbe Schwierigkeitskategorie eingestuft wie der Mindelheimer Klettersteig.  Nach meiner Meinung ist er aber luftiger und ausgesetzter und sparsamer versichert.

1) Sonntag, 08. September 1991 (Niefern - Oberstdorf - Fellhorn - Fiderepass-Hütte)
Wir fuhren um 8.15 Uhr in Niefern ab, waren um 11.15 Uhr am Parkplatz bei der Fellhornbahn und bereits um 12.00 Uhr auf der Bergstation, die kurz unterhalb des Fellhorngipfels (2030m) liegt. Das Wetter war super und wir hatten einen herrlichen Blick ins Kleine Walsertal, auf das karstige Gottesackerplateau und auf das markante Profil des Hohen Ifen (2230m).
Wir kamen an der verfallenen Roßgrund-Alm vorbei und genossen die fantastischen Ausblicke vom aussichtreichen Krumbach Höhenweg auf den Allgäuer Hauptkamm, mit Trettachspitze und Mädelgabel. Überall standen die farbenprächtigsten Blumen in voller Blüte. Bei der Kühngrundalpe (1744m) stillten wir unseren Durst an einem kleinen Brunnen und zogen unsere kurzen Hosen an. Bereits hier entdeckten wir die 300m höher gelegene Fiderepass-Hütte. Die letzten Meter zur Hütte mussten wir in Serpentinen über ein steiles Geröllfeld aufsteigen und standen um 15.30 Uhr vor dem massiven Natursteinbau der Fiderepass-Hütte auf 2067m Höhe. Der Name leitet sich vom althochdeutschen Wort fördern ab. Über die Passhöhe beförderten die alten Walser seit dem Mittelalter ihre Waren nach Oberstdorf.
Wir erhielten problemlos Unterkunft in einem ordentlichen Matratzenlager. Vom Wirt erfuhren wir, dass wegen Wasserknappheit der Waschraum und das WC geschlossen waren. Nur ein(!) Trockenklosett im Freien und teurer Sprudel zum Händewaschen standen zur Verfügung. Auf der Terrasse aßen wir warmen Apfelstrudel und beobachteten dabei mehrere Wanderer, die über die berühmte, eiserne Brücke des Mindelheimer Klettersteiges stiegen. Morgen waren wir an der Reihe! Der Mindelheimer Klettersteig wird in der einschlägigen Literatur als mäßig schwierige Tour, aber als sehr luftige Gipfelüberquerung beschrieben.
Beim Abendessen lernten wir Marion, Dieter und Franz kennen. Es wurde ein kurzweiliger Hüttenabend, erst um 22.00 Uhr gingen wir ins Matratzenlager. Es war gut belegt, aber es war nicht eng. Neben Reinhard lag ein junges Pärchen, wir nannten sie nur die "Kuschler". Das Geschmuse konnte man nicht mit ansehen. Etwas mehr Rücksicht auf seine Mitwanderer wäre manchmal angebracht!

2) Montag, 09. September 1991 (Fiderepass-Hütte - Mindelheimer Klettersteig - Mindelheimer Hütte)
Wie meisten auf Hütten, war auch diesmal die Nacht sehr lang. Da es kein Wasser gab, war die Morgentoilette rasch beendet und wir schnell beim Frühstücken. Um 8.00 Uhr machten wir uns bei herrlichem Wetter auf den Weg zum Mindelheimer Klettersteig.
Von der Hütte benötigten wir etwa eine halbe Stunde bis zur Saubuckel Scharte. Hier legten wir unsere Klettersteigausrüstung an. Über Eisenstifte, Trittbügel und zwei Leitern turnten wir, mit tollen Tiefblicken auf die Fiderepass-Hütte, zum nördlichen Vorgipfel des höchsten Schafalpenkopfes (230m) hinauf. Die erste Leiter war ziemlich lang und leicht überhängend und stellte gehobene Anforderungen an Trittsicherheit und Kondition. Der Gipfel des höchsten Schafalpenkopfes wurde nur gestreift. Anschließend führte der Steig über Eisenbügel und Stifte hinunter auf den horizontale Verbindungsgrat zum Mittleren Schafalpenkopf. Das Hindernis einer 3 m tiefen Scharte wurde mit Hilfe einer 5m langen Eisenbrücke problemlos überwunden. Von der Fiderepass-Hütte sah diese Überquerung sehr spektakulär aus, in Wirklichkeit war sie vollkommen unkritisch.
Bald kamen wir an eine weitere fotogene Stelle: Die Querung einer glatten Felsplatte mit Hilfe einiger Eisenstifte. Diese Passage war sehr luftig und ausgesetzt, aber durch die gute Versicherung recht einfach. Kurz darauf erreichten wir die Schlüsselstelle der gesamten Tour, die Querung der Westflanke des Mittleren Schafalpenkopfes. Hier fehlten einige Eisenbügel, bzw. waren von Chaoten abgesägt worden. Ich empfand diese Passage und die Einstiegsleiter als die schwierigsten Stellen des Klettersteiges. Um 12.00 Uhr machten wir auf einer grasigen Fläche unterhalb des Gipfelkreuzes des Mittleren Schafalpenkopfes eine wohlverdiente Rast. Wir waren froh die Rucksäcke ablegen zu können. Sie waren nicht nur schwer, sondern auch oft hinderlich!
Wir machten über eine Stunde Pause, sonnten uns mit nacktem Oberkörper, relaxten und bewunderten den imposanten Biberkopf (2599m), der dominierend über dem Rappental stand und das gesamte Panorama beherrschte. Zwei ältere Herren gesellen sich zu uns, und der 59-jährige Heinrich erleichterte seinen Dinkelacker Six-Pack Vorrat.
Über schwieriges Schroffengelände verloren wir 150 Höhenmeter. Dann begann der Anstieg durch die zerklüftete Nordseite des Südlichen Schafalpenkopfes (2275m). Dem kurzen Anstieg zum Kemptner Köpfl (2192m) folgte ein steiler, rutschiger Abstieg zur Kemptner Scharte. Dann wanderten wir auf leicht abfallendem Pfad zur Mindelheimer Hütte (2058m), wo wir um 15.30 Uhr eintrafen.
Die Mindelheimer Hütte musste kurz zuvor umgebaut und renoviert worden sein. Alles war in freundlichem hellen Holz gehalten und machte einen sauberen Eindruck. Auch das Lager war ordentlich und das Essen vorzüglich. Wir saßen vor der Hütte und aßen warmen Apfelstrudel und schmackhafte Krautspatzen. Der Gestank vom Trocken-WC vertrieb uns aber schnell auf die Ostseite. Wir saßen noch lange vor der Hütte, unterhielten uns mit vielen netten Leuten und genossen die wärmenden Sonnenstrahlen. Später saßen wir noch mit Marion und Dieter bis 22.00 Uhr im gemütlichen Gastraum. Heinrich war heute der absolute Hütten- und Klettersteigkönig. Eine Lage Schnaps nach der anderen wurde an seinen Tisch gebracht und entsorgt. Er hatte auch allen Grund zu Feiern. Das war wirklich eine tolle Leistung des 59-jährigen.

3) Dienstag, 10. September 1991 (Mindelheimer Hütte - Oberstdorf - Nebelhorn - Edmund-Probst-Haus)
Ein schöner Tag kündigte sich an. Um 6.30 Uhr waren wir beim Frühstücken. Anschließend packten wir unsere Rucksäcke, verabschiedeten uns von Marion und Dieter und machten uns um 8.15 Uhr auf den Weg nach Oberstdorf. Der Krumbach Höhenweg verläuft unterhalb der Schafalpenkopfe in aussichtsreicher Lage. Bei der Oberen Angerhütte konnten wir uns endlich an einem Rinnsal die Hände waschen. Nach 3 Stunden standen wir in der Roßgrundscharte (2005m), wo wir eine längere Pause einlegten. Von unserem Rastplatz aus konnten wir ins 700m tiefer gelegene Warmatsgrundtal blicken, wohin wir absteigen mussten.
Es war heute sehr warm und die Hitze staute sich im engen Warmatsgrundtal. Als Rolf einen Wasserfall entdeckte war er nicht mehr zu halten. Splitternackt stellte er sich unter den eiskalten Wasserstrahl und duschte genüsslich. Um 14.30 Uhr waren wir beim Parkplatz an der Fellhornbahn.
Nach einer kurzen Eispause fuhren wir mit dem Auto zum Parkplatz der Nebelhornbahn. Als wir um 16.30 Uhr in die Gondel stiegen waren wir ganz alleine.
Im Edmund-Probst-Haus (1930m), direkt neben der Bergstation, aber unterhalb der Nebelhorngipfels (2224m) gelegen, erhielten wir Quartier in einem 4-Bett-Zimmer. Aus Solidarität zu den anderen Hütten, waren hier die Duschen geschlossen, aber wir konnten uns wenigstens im Waschraum mit warmen Wasser waschen. Nach einem schmackhaften Abendessen und einige Runden "Hol's der Geier" gingen wir um 22.00 Uhr ins Bett.

4) Mittwoch, 11. September 1991 (Edmund-Probst-Haus - Hindelanger Klettersteig - Edmund-Probst-Haus)
Das Wetter hatte sich verschlechtert. Die Berge waren in Wolken gehüllt und es sah verdächtig nach Regen aus. Nach dem Frühstück wollten wir trotz des schlechten Wetters, den Klettersteig versuchen, aber nur weil wir wussten, dass es mehrere Notabstiege gab. Um 8.30 Uhr standen wir vor der ersten Steiganlage. Wir legten unsere Klettersteigausrüstung an und machten uns an die 25-prossige 10m hohe Leiter. Sie ist bewusst abschreckend gehalten um Halbschuhtouristen zu schocken. Nach anregender Kletterei erreichten wir nach einer Stunde den zweithöchsten Punkt des Steiges, den Westlichen Wengenkopf (2235m).
Das Wetter wurde immer schlechter. An der 13-sprossigen Leiter goss es in Strömen. Über schmierige Platten kletterten wir auf dem luftigen Gart vorwärts. Wir waren nass, rutschten teilweise auf dem Hosenboden über die glatten Platten und waren froh, dass der Nebel die Ausgesetztheit verbarg. Es machte keinen Spaß und hatte auch keinen Sinn mehr bei diesem Wetter weiterzumachen. Nach der 31-sprossigen gekrümmten Leiter und der Überquerung eines Abgrundes mit Hilfe einer 1m langen L-förmigen Eisenschiene, erreichten wir die tiefe Einsattelung zwischen Westlichem und Östlichem Wengenkopf. Hier war endlich die Möglichkeit um zum Koblat absteigen zu können.. Nass bis auf die Haut erreichten wir um 13.00 Uhr wieder wohlbehalten das Edmund-Probst-Haus. Wir waren natürlich enttäuscht über den Ausgang der Tour, aber Sicherheit geht vor!
Nach einem langweiligen Nachmittag, genossen wir gegen Abend auf einer Bank noch einige wärmende Sonnenstrahlen. Nach dem Abendessen und einigen Runden Skat gingen wir um 22.30 Uhr aufs Zimmer.

5) Donnerstag, 12. September 1991 (Edmund-Probst-Haus - Oberstdorf - Diepolz - Niefern)
Nachts hörten wir, wie der Regen auf das Blechdach prasselte. Nach dem Frühstück fuhren wir um 8.15 Uhr mit der Gondel hinunter nach Oberstdorf. Heute war Viescheid. Einige Leute standen mit Schirmen an der Straße und warteten auf die Kühe. Das Gebimmel schwoll an und plötzlich sahen wir die geschmückte Leitkuh und dahinter ein furchtbares Durcheinander unzähliger Kühe. Nach 10 Minuten war der Spuk vorbei. Ein geschmückter Haflinger bildete den Abschluss.
Nach diesem unverhofften Ereignis, fuhren wir um 9.45 Uhr von Oberstdorf ab. Wir machten noch einen kleinen Abstecher bei Trigema in Missen. Wir kauften in der Käserei in Diepolz noch ein paar Mitbringsel ein und machten uns um 11.30 Uhr auf den Heimweg. Nach 2,5 Stunden waren wir wieder in Niefern.

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