12) Freitag, 11.10.02 Pisang (3190m) - Manang (3500m)

 

  Habe wieder einmal überraschend gut geschlafen. Um 6.40 Uhr gehen wir in den Aufenthaltsraum. Die Koreanerin qualmt ihre Frühstückszigarette und die Israelis halten ihre Morgenandacht. Es ist ziemlich frisch heute Morgen. Etwas verspätet, um 8.30 Uhr starten wir. Unsere hübsche Wirtin sitzt im Freien und genießt ihr Frühstück in der Morgensonne. Ich hätte sie dabei unbedingt fotografieren sollen, aber leider hat man in solchen Momenten eine etwas lange Leitung.

  Pisang gefällt mir unheimlich gut, es ist rustikal nepalesisch und ein Dorf wie man es sich so im Annapurnagebiet vorstellt. Gleich um die Ecke ist eine safer-water-station, ich kaufe 2 Liter Wasservorrat ein. Es folgt ein langer Anstieg. Zum ersten Mal spüre ich richtig die Höhe. Ein Spinner in kurzen Hosen und mit Trekkingstöcken, aber ohne Gepäck, hetzt an uns vorbei, gefolgt von seiner hot pants tragenden Begleiterin. Lernen die Leute es denn nie, sich den Umständen nach richtig anzuziehen, den Nepalesen müssen ja die Augen herausfallen.

 

  Auf dem „Pass“ (3380m) steht ein kleines primitives bhatti, wo man Getränke einkaufen kann. Von hier oben haben wir einen herrlichen Blick weit hinein ins Manangtal und auf den Tilicho-Peak (7143m). Leider sind auch schon wieder die Israelis da und es ist dementsprechend laut. Ein breiter, flacher Weg führt uns, vorbei an einigen kleinen Tümpeln, komfortabel nach Hongde, dem Flugplatz von Manang, wo wir um 10.45 Uhr eintreffen. Unterwegs kommen uns mehrere Einheimische entgegen, die im Sonntagsgewand und mit Sonnenschirm unterwegs sind.

  Im Hotel Buddha mit German Bakery machen wir Rast. Wir sitzen auf dem Balkon und genießen die herrliche Sonne. Ich esse eine halbe Salami mit Brot aus Reinhards Vorräten auf,  Reinhard zieht zwei riesige Stücke Apfelkuchen vor. Es scheint mit ihm wirklich wieder aufwärts zu gehen.

  Um 12.00 Uhr wandern wir weiter. Neben dem Flugplatz ist ein check-point. Der Polizist lässt sich stolz mit seiner alten Knarre von Reinhard fotografieren. Der Weg ist sehr breit (fast schon eine richtige Straße), aber landschaftlich wunderschön. Wir haben jetzt endgültig die Baumgrenze verlassen. Vorherrschend sind fortan die roten Blättchen der Berberitze, dazu azurblauer Himmel, die himmelhohen, weißen Schneeriesen und die vielen anderen tollen Herbstfarben. Alles wirkt so plastisch und klar, man sieht meilenweit. Ein absoluter Traumweg! Zwischen Mungji und Braga sehen wir die ersten Yaks auf einer Wiese grasen. Aber vielleicht sind es auch Dzopkios, eine Kreuzung aus Yak und Rind. Reinhard isst zur Regeneration seiner angeschlagenen Darmflora in einem kleinen bhatti ein Yak-Joghurt, es schmeckt ihm sehr gut.

 

  Um 13.30 Uhr passieren wir Braga. Die Häuser hängen wie Schwalbennester an der Felswand. Die rote Gompa fällt uns sofort auf. Eigentlich sollten wir das Dorf und die Gompa besuchen. Das Kloster ist das älteste und interessanteste in der ganzen Region. Aber wir haben im Moment einfach keine Lust dazu, vielleicht morgen. Ich tue mich sowieso mit der nepalesischen Kultur im Moment noch recht schwer. Wir kommen an einer langen Manimauer (Gebetssteine, Gebetsmauer) vorbei. Ich kann nur schwer der Versuchung widerstehen, ein kleines Stück Manistein mitzunehmen, aber ich beherrsche mich, wenn das jeder machen würde, wären bald alle Manimauern verschwunden.

  Auf dem Weg nach Manang kommen wir öfters an Chörten (buddhistische Heiligtümer) vorbei. Ein besonders großes Exemplar steht am Eingang von Manang. Um 14.00 Uhr erreichen wir  bereits den Ort. Der heutige Weg war relativ flach, nicht anstrengend und sehr breit, deshalb konnte ich alles problemlos in Sandalen gehen.

  Manang ist Verwaltungszentrum. Der Ort ist für ein „Dorf“ im Annapurnagebiet überraschend groß und hat über 5.500 Einwohner. Wir treffen Reiner und Roland. Sie sitzen auf dem Balkon ihrer Lodge und relaxen, morgen wollen sie weiter in Richtung Pass. Reiner geht es überraschend gut, er hat diesmal nicht so starke Probleme mit der Höhe wie vor zwei Jahren am Everest.

  Purna bringt uns ins Tilicho-Hotel. Es sieht sehr einladend aus und hat einen großen Innenhof. Wir sind im 2. Stock untergebracht und haben ein großes Zimmer mit eigenem WC, Luxus auf 3500m. Nach dem Schlafsack auspacken folgt die unerlässliche Klamottenwäsche, eine erfrischende Dusche und  Tagebucheintragungen.

 

  Im 2. Stock wohnt die Koreanerin. Im Erdgeschoss nächtigt sogar eine Familie mit 2 Kindern. Sie haben 2 Leinen mit Wäsche belegt. Wir müssen aufpassen, dass unser abtropfendes Waschwasser, die im ersten Stock hängende Wäsche nicht wieder nass macht. Die Israelis sind noch nicht aufgetaucht, denen ist es hier sicher zu teuer (180 NPR!!). Unangenehm ist mir unterwegs auch eine Gruppe von Tschechen aufgefallen. Die Frauen tragen extrem kurze hot pants. Diese westliche Mode ist hier vollkommen fehl am Platz.

  Manang wird in der Literatur oft schlecht gemacht. Ich finde zu Unrecht, es liegt wunderbar, hat einen schönen alten Kern, gute Lodges und man kann am Ruhetag viel unternehmen.

  16.00 Uhr, ich sitze in der Sonne, lese und trinke Tee. 3 Liter am Tag sollten es schon sein. Langsam geht die Sonne unter. Die Träger und Reinhard sitzen im Innenhof und spielen Schach. Ich sehe viele bekannte Gesichter, die uns im Laufe der Tour begegnet sind. Die meisten werden sicher morgen losgehen. Die nächsten 3 Tage werden bestimmt sehr hart für uns. Mein Gepäck drückt mächtig. Ich hoffe aber, dass wenn ich bei der Passüberquerung viel anziehe und der Rucksack dadurch fast leer ist, ich es schaffen kann. So kurz vor dem Ziel will man nicht aufgeben. Purna hat sich bereit erklärt, mir etwas Gepäck abzunehmen, wir werden sehen.

 

  16.15 Uhr, mein Tee ist fast leer, die Sonne ist verschwunden, es wird merklich kälter, auch durch den Wind. Reinhard spielt weiter Schach. Ich mache einen kleinen „Stadtbummel“. Überall gibt es kleine Geschäfte, zwei Bullen kämpfen auf einer staubigen Weide, sie werden von ihren Besitzern angeheizt, ein kleines Mädchen pinkelt auf die „Straße“. Viele Nepalesen laufen noch in Badeschlappen herum, ich denke, es hat nur noch ca. 10°C. 17.00 Uhr, wir gehen in unsere Lodge zurück, legen uns in die Schlafsäcke und warten aufs Essen.

  Habe heute zuviel zu Abend gegessen, mein Bauch spannt. Das Essen ist überall gut, bin sehr überrascht über die große Auswahl und wie schmackhaft und reichlich es ist. Wenn man Daal-Bhaat wählt, bekommt man Nachschlag soviel man will. Die Träger essen nur Daal-Bhaat und das mit den Händen. Wir spielen bis 21.30 Uhr Schach. Ich gewinne auch einmal.

 

nächster Tag

 

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