7) Sonntag, 06.10.02 Ngadi (880m) – Jagat (1300m)

 

  6.00 Uhr aufstehen. Das morgendliche Freirotzen der Nepalesen ist furchtbar, aber man erspart sich auf diesem Weg den Wecker. Unserem „Hotel“ ist ein kleiner Laden angeschlossen, wir kaufen uns Badeschlappen. Einer unserer wichtigsten Einkäufe überhaupt! Badeschlappen braucht man unbedingt, sie sind  überlebensnotwendig!

  Um 7.45 Uhr ist Abmarsch, es scheint ein sehr heißer Tag zu werden. An der ersten Hängebrücke fällt uns eine holländische Trekkerin mit Hund auf. Ihr dicker Mann ist total verschwitzt und hat eine rote Birne, so als sei er kurz vor dem Sonnenstich. Ihr kleiner Hund wird von einem Träger auf den Händen getragen. Manche Leute sind wirklich unglaublich, was denken wohl die Nepalesen über unsere Kultur, sie haben fast nichts zu essen und hier wird ein Hund spazieren getragen!

 

  An den  Berghängen entdecken wir viele Reisterrassen und Siedlungen bis weit hinauf. Es ist sehr heiß, wir benötigen viel Flüssigkeit. Von überall kommt Wasser den Berg herunter, aber wir getrauen uns nicht davon zu trinken, wir kaufen vorsichtshalber lieber versiegeltes Mineralwasser in Plastikflaschen. Unterwegs fotografieren wir an einem Wasserfall einige Kinder. Sie gehen ohne Scheu auf uns zu, man merkt, dass sie an Touristen gewöhnt sind.
  Reinhard geht es nicht gut, er hat Durchfall. Der lange und steile Aufstieg hoch zum Hindu Brahmanendorf Bahundanda (1310m) fordert uns die letzten Reserven ab. Die Hitze ist unerträglich. Ich mache meine Mütze nass und kühle auf diese Weise meinen heißen Kopf. Mein kleines Handtuch trage ich zum Nackenschutz wie ein Beduine unter der Mütze. Im Dorf kaufe ich mir einige sweet-lemmons, sie schmecken wunderbar und erfrischen toll. An der öffentlichen Wasserstelle (Dhaara) wäscht eine Frau Geschirr und Wäsche; sie lässt mich lächelnd meine klebrigen Hände abwaschen. Reinhard sieht sehr schlecht aus, er macht mir ernsthafte Sorgen. Vom Dorf hat man einen tollen Blick  hinunter ins Tal von wo wir hinaufschnauften, auf tropische Vegetation und über unzählige Reisterrassen. Hier oben fotografiere ich mein Lieblingsfoto dieser Tour: das kleine Mädchen im roten Kleid. Anschließend müssen wir wieder steil bergab und weiter durch Reisfelder, über Bäche und Steinplatten. Viele bunte Schmetterlinge begleiten uns, leider sind sie schwierig zu fotografieren. Die Grillen und Zikaden machen ein Heidenspektakel.

 

  Um 12.00 Uhr machen wir endlich gegenüber einem großen Wasserfall (mit einem Wasserkraftwerk?) im Garten einer Lodge im Schatten Mittagspause. Hoffentlich kommen wir bald in höhere Regionen damit wir endlich aus dieser Gluthitze herauskommen. Wir trocknen unsere verschwitzten Klamotten auf einem Stein und kühlen am Brunnen unsere erhitzten Köpfe. Mein Nepal-T-Shirt ist jetzt schon fix und fertig, total verblichen und in Fetzen. Um 13.00 Uhr gehen wir bei einer Affenhitze hinunter zum Marsyangdi-River und über eine große Hängebrücke nach Syange (1100m). Danach folgt wieder ein steiler An- und Abstieg. Unterwegs entdecke ich einige Affen in den Bäumen herumturnen. Verflixt, ich habe schon jetzt eine Wasserblase bekommen! Endlich kommen wir um 15.30 Uhr  fix und fertig in Jagat an. 6h wanderten wir in dieser Gluthitze, wir hoffen nur, dass es morgen deutlich kühler wird.

 

  Im „Paradise Hotel“ mit Bakery machen wir unsere, schon zur Routine gewordene Kleinwäsche und duschen. Welch ein Genuss ist es, den Schweiß vom Körper zu befreien und frische Klamotten anzuziehen. Man glaubt gar nicht wie wenig ein Mensch braucht, um sich wohl zu fühlen.

  Reinhard schläft, ich trinke 2l Tee und esse dazu eine schmackhafte Schneckennudel und schreibe mein Tagebuch. Um 17.00 Uhr schauen Reiner und Roland vorbei, sie gehen im Dorf auf "Fotojagd".

  Zum Abendessen habe ich mir gebratene Nudeln mit Gemüse, Ei und Käse bestellt, habe aber nur wenig Appetit. Reinhard isst nicht einmal seinen trockenen Reis, er bleibt lieber oben in seinem Schlafsack liegen. Hoffentlich hat er sich nichts geholt.

  Im Dorf gibt es keinen Strom, bei Einbruch der Dunkelheit wird es sehr romantisch. Ich sitze alleine auf der Terrasse, es riecht nach Essen, Holzfeuer und Kerosin. Das Nachbarhaus ist höchstens 3m gegenüber. Die Grillen zirpen laut, man hört Menschen durch geöffnete Türen und Fenster reden, Kinder weinen. Es sind nur sehr wenige Touristen da. Es ist schön hier zu sitzen und diese ruhige Atmosphäre in sich aufzunehmen. Es ist 19.30 Uhr, Kinder fragen mich nach Sweets, Pens and Balloons und woher ich komme. Sie sind überhaupt nicht aufdringlich, nur lieb und freundlich.

  Gerade kommt Purna und schaut nach mir. Er kümmert sich gut um uns. Ich erkläre ihm, dass ich eine solche Stimmung nicht kenne und sie genieße, diese erholsame Stille und diesen Dorfgeruch. Ein kleines Kind singt, Menschen lachen und reden. Ich bin total verzaubert und habe das Glück, wenigstens Zaungast sein zu dürfen und etwas vom täglichen Leben dieser fleißigen Menschen miterleben zu können. Nicht sie müssen froh sein, dass wir ihr Land besuchen, sondern wir müssen glücklich sein, dass wir so etwas erleben dürfen!

  Es ist 20.00 Uhr, hinter meinem Rücken rotzt einer. Unser Lodgebesitzer lernt mit seinem Sohn bei Kerzenlicht. Was bringt uns der morgige Tag, wie geht es weiter mit Reinhard, wie entwickelt sich meine Wasserblase?

 

nächster Tag

 

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