23) Dienstag, 22.10.2002 Sikha (1935m) – Ghorepani (2775m)

 

  Leider kann ich auch heute Morgen kein Foto vom Dhaulagiri und Tukuche-Peak machen, die beiden Hübschen verstecken sich weiterhin hinter Wolken. Ich habe heute Nacht relativ gut geschlafen, obwohl mir jedes Mal beim Umdrehen die linke Seite schmerzte. Habe auch weiterhin Halsschmerzen und jetzt kommt auch noch ein leichter Husten dazu. Hoffentlich bewältige ich heute die 800 Höhenmeter.

  Verflixt, jetzt habe ich auch noch meinen Tagesgeldbeutel verloren. Ich schaue meinen ganzen Rucksack durch, finde ihn aber nicht. Bestimmt ist das gestern beim Umziehen im Gelände passiert. Waren höchstens 400 NPR drin, nicht viel, trotzdem ärgert es mich. Ich habe immer einen Tagesgeldbeutel mit ca. 500 NPR am Mann, den Rest verwahre ich in meiner Gürteltasche und in meinem Medikamentenplastikbeutel auf. 7.30 Uhr fertig machen zum Trekking. Plötzlich entdecke ich meinen Geldbeutel im äußeren Rucksackregenschutz. Die Geldscheine (200 NPR) sind vom gestrigen Sturz noch klatschnass.

 

  Um 8.15 Uhr starten wir. Es geht wie gestern  wieder gleichmäßig über viele Treppenstufen aufwärts. Nach 2 Stunden machen wir in Chitre (2390m) in einer großen Lodge im Freien eine kleine Verschnaufpause. Wir treffen auf das deutsche Ehepaar mit Hanna und Malte. Sie setzen sich zu uns an den Tisch und genießen mit uns die tolle Aussicht. Im Hof rennen viele Hühner herum und auf Bastmatten trocknen Bohnenkerne unterschiedlichster Form und Farbe. Der Vater von Hanna und Malte macht Fotos von den Bohnenkernen, er arbeitete früher in einer Firma für Saatgut und interessiert sich deshalb dafür. Sie sehen aber auch recht hübsch aus.

  Die Landschaft verändert sich wieder drastisch. Dichter Urwald, bestehend  aus hohen, schlanken Bäumen voller Flechten und riesigen Rhododendron- und Magnolienbäume herrschen nun vor. Sie werden hier bis zu 20m hoch und haben schon mal einen Stammdurchmesser von eineinhalb Metern. Die Blütezeit ist von März bis Ende April. Jetzt folgt ein letzter, langer, steiler Anstieg hoch nach Ghorepani. Wir nutzen fast jede Möglichkeit zu einer kleinen Pause. Überall auf der Annapurnarunde findet man hüfthohe aufgeschichtete Steinmauern (Chautra), die den Trägern erlauben, ihre schweren Lasten bequem abzustellen, ohne die Gepäckstücke vom Rücken nehmen zu müssen. Auch wir schätzen in der Zwischenzeit diese Art von Rastplätzen.

 

  Unterwegs sehen wir zwei Vögel (?) mit herrlichem Gefieder. Um 12.00 Uhr, nach 3h Aufstieg, erreichen wir Ghorepani, ich bin die gesamte Strecke in Sandalen gegangen. Wir bekommen accommodation in der „Tukuche-Peak-View-Loge“. Der Name ist berechtigt, wir haben eine prachtvolle Aussicht auf die Berge. Der Blick nach rechts ist leider Wolken verhangen, vielleicht regnet es noch heute. Reinhard hat Probleme mit seinem Zoomobjektiv, er vermutet, es ist schon beim Sturz in Bhaktapur kaputt gegangen.

  Wir packen unsere Rucksäcke aus und ich hänge meine nassen Geldscheine zum Trocknen mit Wäscheklammern notgedrungen am Vorhang im Zimmer auf. Ghorepani bedeutet „Wasser für die Pferde“. Oben auf dem Pass liegen ca. 15 Lodges, die meisten sind aus blauem Blech gebaut. Angeblich, damit die Piloten der tief fliegenden Flugzeuge die Jomson mit Pokhara verbinden, bei Schnee die Häuser besser sehen können(?).  Hier gibt es einen Telefonposten. Reinhard will  heute Abend versuchen daheim anzurufen.

  12.45 Uhr. Ich sitze im Garten unserer großen Lodge, trinke Tee und warte bis die hot-shower warm ist. Heute geht es mir viel besser als gestern. In 3 Tagen sind wir in Pokhara und wieder in der Zivilisation. Dann haben wir wieder Kontakt zu der „Außenwelt“. Die Trekkerei reicht mir jetzt, ich bin froh, wenn ich den Rucksack endlich in die Ecke stellen kann. Trotzdem denke ich, es ist besser, wenn wir die nächste Strecke noch einmal unterteilen, sonst sind wir viel zu früh in Pokhara.

  Ich verspüre auf einmal richtigen Kohldampf und muss unbedingt etwas essen. Ich bestelle mir pancake mit Rühreier und esse dazu meine letzte Bifi-Salami. Nahe bei mir, neben der Straße, sitzt ein fliegender Händler, ich beobachte ihn, er sieht aus wie ein Inka, hat langes, dunkles Haar und kämmt es die ganze Zeit. Er scheint mächtig stolz darauf zu sein.

 

  Wir wollten schon lange einige Mitbringsel einkaufen, aber Purna meinte, wir sollten bis Ghorepani oder Tadapani warten, dort könnten wir alles einkaufen und müssten die Souvenirs nicht so lange mit uns herum tragen. Nachdem ich mich gestärkt habe, mache ich einen kurzen Rundgang durch Ghorepani, Reinhard ist schon früher losgegangen. Ghorepani ist nicht schön, nur eine Ansiedlung von vielen, großen, blauen Lodges, scheinbar nur für die Trekker erbaut und für den Rummel auf dem Poon Hill. Ich bin bald wieder zurück und präpariere meine Ausrüstung griffbereit für morgen früh: Kappe, Handschuhe, Jacke, Batterien und Lampe. Wir wollen zwischen 4.00 Uhr und 5.00 Uhr los, um den Sonnenaufgang auf dem Poon Hill zu erleben. Ich bin mir noch nicht im Klaren, ob ich mitgehen soll.

  15.15 Uhr, es ist schon wieder kalt, ich brauche meine lange Unterhose. Hier oben ist es bereits herbstlich und wir sind immerhin fast auf der Höhe der Zugspitze.18.00 Uhr Essen. Wir sind nur zu sechst in der großen Lodge, 2 Norweger und 2 nette, israelische Amis. Ich esse mein viertes Daal Bhaat. Reinhard ruft daheim an, alles ist in bester Ordnung. Das beruhigt unheimlich. Es ist jetzt 20.15 Uhr, wir gehen ins Bett. Wir wollen um 4.30 Uhr raus in die Kälte und über 400m zum Poon Hill aufsteigen, sunrise!! Bin gespannt, ob ich rechtzeitig rauskomme.

 

nächster Tag

 

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