25) Donnerstag, 24.10.2002 Tadapani (2590m) – Ghandruk (1940m)

 

  13.30 Uhr, ich sitze im Garten der Annapurna Lodge in Ghandruk inmitten von blühenden Tagetes, orangefarbigen Dahlien und Ringelblumen, bei strahlendem Sonnenschein und blicke auf unzählige Terrassenfelder. Die Landschaft ist hier, wie bei uns im Mittelgebirge. Die „Riesen“ haben sich wie üblich um die  Mittagszeit hinter Wolken versteckt. Wenn man jetzt ankommt, würde man verwundert fragen “Wo sind Annapurna Süd und Machhapuchhare?“ Unter uns liegt eine Schule, man hört lautes Kindergeschrei. Die Kinder haben gerade Pause, sie gehen von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr in die Schule.

 

  Um 9.00 Uhr verlassen wir vollkommen ausgeruht Tadapani. Ich mache noch einige Bilder vom tibetanischen Markt und von einer Mutter mit Kind, die vor unserer Lodge in der Sonne sitzen. Habe öfters Probleme mit meinem, mit Heftpflaster repariertem Fotoapparat, er will manchmal nicht mehr so richtig. Heute Morgen haben wir einen fantastisch klaren Blick auf Annapurna Süd.
   Lange wandern wir meistens eben durch einen prachtvollen Urwald. Durch die mit Flechten behangenen Bäume scheint geheimnisvoll die Morgensonne. Wie so oft kann man diese Eindrücke überhaupt nicht stimmungsgerecht auf den Film bannen, man kann sie sich nur ins Gehirn „einbrennen“. Vor dem Weg von Tadapani nach Ghandruk wird in der einschlägigen Literatur gewarnt. 1996 sind mehrere Frauen auf der Strecke von Räubern überfallen worden. Es wird deshalb empfohlen, den Weg nur in Gruppen zu gehen. In letzter Zeit ist hier aber nichts mehr passiert, so dass wir ohne Angst durch den zauberhaften Urwald marschieren.

  Wir müssen oft Bäche überqueren, ich bin jetzt extrem vorsichtig bei diesen Aktionen. Diese Etappe ist einfach genial, ein weiters Highlight auf der Annapurnaumrundung. Jetzt folgt der Weg einem Flusslauf und es geht wieder über viele glitschige Treppenstufen bergab. Unterwegs kommen uns zwei Porter entgegen. Jeder trägt mit Hilfe einer Stange über der Schulter zwei flache Körbe (wie die Chinesen), die Bananen und Tomaten enthalten. Wir kaufen ihnen 12 Bananen für 60 Rupien ab. Eine willkommene Abwechslung in unserem Speisezettel. Sie sind sehr klein, schmecken aber super. Die Landschaft verändert sich wieder, es wird wärmer, der Wald niedriger und unsere Grillenfreunde melden sich wieder zu Wort.

  Unterwegs treffen wir öfters auf einen jungen Träger mit einem ganz alten Rucksack, der mit einer älteren Frau unterwegs ist. Der Porter hört ständig Radio und so fragen wir ihn, was es Neues in der Welt gibt, ob zum Beispiel der Irakkrieg ausgebrochen sei. Aber irgendwie passt das der Frau nicht, sie gibt uns schnell den Weg frei und wir haben keine andere Wahl und gehen halt weiter.

 

  Kurz vor Ghandruk machen wir in einem tea-shop noch eine kleine Trinkpause. Der Lodge ist ein Souvenirshop angeschlossen. Auch hier kann man wieder Schals und viel tibetischen Plunder einkaufen. Wir sitzen im Freien im Schatten unter einem abgespannten Plastiksegel. Einige Einheimische spielen Karten. Purna ist nicht zu halten, er ist gleich wieder mit von der Partie. Wir treffen auf ein Ehepaar, dem wir schon öfters begegnet sind.

  Jetzt ist es nicht mehr weit nach Ghandruk. Bereits nach 2.5 Wanderstunden erreichen wir den Ort. Dies war eine richtige Erholungsetappe, es ging gleichmäßig bergab und die Räuber ließen sich auch nicht blicken. Ghandruk ist ein schönes, sauberes, aber weit verstreutes Dorf. Man merkt schon an den ordentlich verlegten Platten auf der Hauptstrasse, dass die Leute hier wohlhabend sind. In Ghandruk lebt die Volksgruppe der Gurung und es ist die zweitgrößte Siedlung dieses Volkes in Nepal. Überall sind Terrassenfelder, auch auf dem gegenüberliegenden Hang. Der Blick reicht bis fast hinein ins Annapurna Basecamp, eine ganz fantastische Gegend. Es lohnt sich wirklich, hier vorbeizukommen. Das Dorf selbst liegt am Hang und ob man will oder nicht, man muss bei einer Besichtigung ordentlich auf- und absteigen.

 

  Wir müssen noch ein ganzes Stück laufen, ehe wir zu unserer Lodge kommen. Purna steuert die Annapurna Lodge an. Im ersten Moment gefällt es uns hier überhaupt nicht. Der Garten ist eine einzige Baustelle, die alte Annapurna Lodge wurde abgerissen und wird jetzt wieder neu aufgebaut. Überall liegt Baumüll herum, aber etwas unterhalb bei Verwandten (Breeze-Guest-House) kommen wir dann doch ganz ordentlich unter. Zum dritten Mal  haben wir den Komfort vom Zimmer mit WC, diesmal sogar mit Dusche und das zu einem Preis von 160 NPR. Auspacken, duschen, essen, alles schon gewohnte Routine. Unsere letzte Nacht in einer Lodge. Morgen noch  4 Stunden wandern, anschließend noch 1-2 Stunden nach Pokhara fahren und dann sind wir nach genau 3 Wochen wieder in der Zivilisation.

  Ich könnte schon wieder etwas essen, ich habe dauernd Hunger. Meine Wanderhose passt nicht mehr, der Gürtel ist schon viel zu weit. Reinhard ist unterwegs auf Motivsuche, vielleicht bringt er mir etwas zum Essen mit. Ich mache auch einen kleinen Dorfbummel Es geht sofort ziemlich steil bergab und als ich daran denke, dass ich alles wieder aufsteigen muss, kehre ich doch lieber gleich wieder um.

  Purna erzählt uns, dass er in Ghandruk gerne wohnen und eine Logde betreiben möchte, aber es sei hier alles sehr teuer. Vielleicht werden seine Pläne von einer eigenen Trekkingagentur in Kathmadu doch eines Tages wahr. Ich habe aber so meine Zweifel, ob seine Träume jemals Wirklichkeit werden.

 

  Unten auf dem Schulhof spielen die Kinder Basketball und auf dem Nachbargelände verbrennen Bauern verdorrte Maisstängel. Es raucht und stinkt gewaltig. Ich verziehe mich in eine andere Ecke. Der Lodgegarten ist sehr schön angelegt mit vielen gelben Ringelblumen und Tagetes. Auf der betonierten Terrasse reparieren zwei Männer einen Kerosinofen. Hoffentlich explodiert das altersschwache Teil nicht. Das ausgelaufene Kerosin stinkt, muss mir wieder einen anderen Platz suchen. Ein einsames Huhn sitzt unter einem umgedrehten Bastkorb, daneben eine Blutlache. Ist das seine Todeszelle, bekommt Reinhard heute Abend endlich sein chicken-curry? Ich schaue mir die Warmwasserversorgung der Nachbarhäuser an. Auch hier stehen auf den Dächern, meistens auf Betonplattformen, große, schwarze Plastikbehälter (1000 l). Sie sind mit Metallrohren oder Plastikschläuchen an Wärmetauschern angeschlossen. Ein Behälter ist nicht dicht, andauernd tropft Wasser auf den Boden.

  Die Dächer sind leicht schräg und alle sehr akkurat mit dünnen, rechteckigen, grauen Schieferplatten belegt. Ich habe sie beim Nachbardach gezählt, aber die Stückzahl leider vergessen. Ganz schön langweilig heute Mittag. Ich bestelle mir einen Schokopudding, er hat viele Klumpen.

  Reinhard ist zurück, er wurde eingeladen, Gast bei einer Beerdigung zu sein. Er berichtet von seiner interessanten Exkursion. Ich glaube, in Deutschland würde es niemandem einfallen, einen wildfremden Nepalesen zur Beerdigung einzuladen. Sobald die Sonne untergeht wird es schnell kalt. Ich bin froh, wenn ich morgen in Pokhara bin. Wir sind ganz alleine in der Lodge. Der Hausherr bekocht uns höchst persönlich, aber leider gibt es für Reinhard kein Hühnchen. Um 20.00 Uhr ziehen wir uns in unser Luxusappartement zurück.

 

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