9) Dienstag, 08.10.02  Dharapani (1860m) - Chame (2670m)

 

  Scheiße!! Kalt, kalt und nass! Habe gerade bestellt und warte auf meinen heißen Tee. Habe fast alles angezogen was ich dabei habe, aber alles der Reihe nach.

 

  Um 8.00 Uhr geht es heute Morgen los. In Bagacharp (2160m) wendet sich das Marsyangdi-Tal nach Westen, das Gebiet wird zunehmend mit Tannen und Kiefern bewaldet. Wir befinden uns nun hinter der Annapurnakette. Hier gibt es einen check-point und auch eine safer-water station. Habe Probleme mit meinem linken Innenfuß, eventuell die Sehne. Entscheide einfach meine Trekkingsandalen anzuziehen, die heutige leichte Stecke macht es möglich.

  Es steigt stetig leicht bergan, aber ohne große Probleme. Wieder fängt es an zu blitzen und zu gewittern. Reinhard will morgen einen Ruhetag einlegen. Ich gehe oft voraus und warte dann auf Reinhard und Purna. Unser Führer geht immer mit dem Letzten von uns. Wenn wir eine Pause machen, rastet Purna meistens 20-30 Minuten länger und schwatzt mit den hübschen Mädchen, aber er hat uns immer schnell eingeholt.

  Heute sind viele Mulitransporte unterwegs. Meistens sind es 10-20 Tiere mit 2-5 Treibern, die nicht sehr zimperlich mit den Maultieren umgehen, es fliegen öfters Steine. Wenn so eine Karawane kommt, heißt es für uns Trekker aufpassen. Sie haben auf den Brücken immer Vorfahrt und an abschüssigen Hängen sollte man zur eigenen Sicherheit immer am Berg gehen. Aber Vorsicht: ist man für den Tod eines Mulis verantwortlich, kostet das 20.000 NPR, ein Träger nur 17.000 NPR.  

  Plötzlich fängt es wieder stark zu regnen an, ich warte auf die beiden. Wir machen eine kurze Rast. Ich esse eine von meinen 6 Bifi-Salamis und eine halbe Tafel Rittersport Schokolade. Suuuper, welch ein Genuss!!

 

  Um 12.00 Uhr gehen wir weiter. Unterwegs werden wir wieder von einem starken Gewitterguss erwischt. Klatschnass flüchten wir in ein „Hotel“ und wärmen uns auf. Ich muss meine Wanderschuhe anziehen, habe kalte Füße und nasse Socken. Sauerei, die ganze Donkeyscheiße ist mir in die Sandalen gelaufen. Wir müssen wieder zwei Landslides (Erdrutsche) überwinden. Diesmal sind sie ganz schön ausgesetzt, dazu noch matschig und deshalb sehr rutschig. Ohne Wanderschuhe unmöglich. Wie das die Träger in ihren Badeschlappen schaffen, unglaublich.

  In Koto (2600m), einer Ansammlung schmutziger  Häuser mit zwei, einfachen Lodges, ist wieder ein check-point. Noch 1,5h bis Chame. Es hat endlich aufgehört zu regnen. Um 15.30 Uhr erreichen wir unser heutiges Ziel. Am Ortseingang steht ein Polizeiposten, gleich danach 112 Gebetsmühlen in einer Reihe. Leider fehlen einige der schönen kupfernen Zylinder, oder wurden gestohlen. Nun sind sie durch rostige Nescaffeedosen ersetzt. Ich will diesen Kulturfrevel fotografieren. So ein Pech, gerade jetzt hat mein Foto Batterieprobleme. Macht nichts, clever wie ich bin, habe ich im Rucksack Ersatzbatterien dabei. Wir gehen durch das ganze Dorf, vorbei an vielen Geschäften, am Ortsausgang über die Hängebrücke und auf die andere Flussseite. Unter einer überhängenden Felswand sind eine Ansammlung mehrerer Lodges. Purna führt uns zum New-Tibet-Hotel. Wir bekommen im ersten Stock problemlos ein ordentliches Doppelzimmer.
 

  Unser ganzes nasses Zeug hängen wir auf dem Laufbalkon im Sonnenschein zum Trocknen auf die Leine. Dann schaue ich nach meinen Ersatzbatterien. Mist, es sind die falschen. Und jetzt?? Ob ich hier in Chame die richtigen bekomme, ich kann es mir nicht vorstellen. Ich bin fix und fertig, ziehe mich warm an und lege mich total frustriert in meinen kalten Schlafsack. Mir ist zum Heulen zumute, habe kalte Füße/Nase, alles ist klamm. Hoffentlich bekomme ich Ersatzbatterien, sonst war der ganze Aufwand für die Katz. In meiner momentanen Verfassung scheint es mir sowieso fraglich, ob wir den Pass schaffen  werden, Reinhard schwächelt wegen Durchfall, ich habe Fußprobleme und das Wetter ist im Moment "bescheiden".

  Plötzlich reißt Reiner unsere Zimmertür auf und brüllt: „Kommt alle raus, es hat aufgerissen, der erste 7000er!!“ Wahnsinn wie dieser Riese uns gegenüber steht.  Es ist der  Lamjung Himal (6937m), gewaltige Eisplatten bedecken seine Flanken, er scheint greifbar nahe zu sein und über ihm ein strahlend blauer Himmel.

  Die Lodge ist gerammelt voll. Bisher waren sie immer gähnend leer; wo um Himmelswillen kommen denn auf einmal all die vielen Trekker her? Ich ziehe mich an und gehe runter in den Aufenthaltsraum, hier ist es wenigstens warm. Ich bestelle Tee, Suppe und pancake und schreibe am Tagebuch. Werde morgen versuchen, Sushil anzurufen oder ein Fax zu schicken (am Ortseingang) und mich nach Batterien umsehen. Reinhard meint, welche gesehen zu haben. Habe jetzt auch noch leichtes Halsweh, hoffe nur, dass sich alles zum Guten wenden wird.

 

  Die Leute sind alle dick angezogen, sie frieren, kein Wunder wir sind schließlich auf 2600m Höhe. Ob wir das alles durchstehen werden. Eigentlich ist man schön blöd, setzt sich so unter Druck und einer solchen Strapaze aus, dazu auch noch alles freiwillig. Wozu die ganze Plackerei? Könnte jetzt bequem im Geschäft sitzen und mich auf den Feierabend und die Familie freuen. Die Füße schmerzen, der Rucksack drückt gewaltig, jede Treppe, jeder neue Anstieg fordert einen. Ich wundere mich, wie viele Frauen und übergewichtige Leute unterwegs sind.

  Habe gerade meine Sandalen von der Leine geholt. Sie sind noch immer nass und so laufe ich in 2 Paar Socken und Badeschlappen recht unbeholfen herum. Wenn ich mit dieser Ausrüstung heute Nacht raus muss, fliege ich garantiert die wacklige Treppe herunter.

  19.00 Uhr. Manchmal kommen einem schon gewaltige Zweifel, warum man so eine Plackerei überhaupt auf sich nimmt. Hoffentlich geht alles gut, mit oder ohne Batterien. Reinhard ist schon im Schlafsack, ich gehe auch bald. Hoffentlich wird das Wetter besser, mein Magen hält sich überraschend gut. Um 21.00 Uhr gehe ich aufs Zimmer.

 

nächster Tag

 

zurück